AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Bären haben
kurze Beine
Jeder Investor weiß: Der Aktienmarkt ist zyklisch und bewegt sich
mitunter über lange Zeiträume nach oben oder nach unten. Bald schon
könnte der globale Bullenmarkt seinen zehnten Geburtstag feiern – die
bisher längste Wachstumsperiode in der modernen Zeitrechnung. Da
verwundern die ersten Unkenrufe an den Märkten kaum. Sie verkünden
das baldige Erwachen des Bären nach einem langen Winterschlaf und
versetzen Anleger in Unruhe. Doch ist die Angst vor der Baisse berechtigt?
Und was tun, wenn sich alle Befürchtungen bewahrheiten? Torsten
Reidel, Geschäftsführer von Grüner Fisher Investments, analysiert.
Schwächelnde Konjunkturdaten, ein prognostiziertes
Schrumpfen des Welthandels
Torsten Reidel
und der schwelende Handelskonflikt mit
den wechselnden Protagonisten USA, EU
und China sorgen für eine nervöse Grundstimmung
an der Börse. Dennoch erholen
die Märkte sich langsam wieder und die
Kursverluste des vergangenen Dezembers
entpuppen sich lediglich als Korrektur. Vor
allem in reifen Bullenmärkten sind derartige
kurze, stimmungsgetriebene Marktbewegungen
mit Verlusten von 10 bis hin zu
20 Prozent völlig normal. Es gilt die Regel:
je länger ein Bullenmarkt dauert, desto
häufiger treten Korrekturen auf. Für einen
ausgewachsenen Bären bedarf es schon etwas
mehr – per Definition nämlich einen
fundamental getriebenen Kursrückgang
von mindestens 20 Prozent – und das über
einen längeren Zeitraum.
Doch wie erkennt man einen nahenden
Bären? Es ist äußerst schwierig, ihn bereits
im Frühstadium zu identifizieren oder gar
vorherzusagen. Das ist vor allem darin begründet, dass Bullenmärkte
häufig schleichend auslaufen. Selten endet eine Hausse mit
einem lauten Knall. Und falls doch, müsste dieser es in sich haben.
Denn um eine weltweite Rezession einzuläuten, bedarf es eines
Sturzes des globalen Bruttoinlandsprodukts um mehrere Billionen
US-Dollar – im Jahre 2018 wären dies mindestens 5,1 Billionen
US-Dollar gewesen.
Egal ob Sie einen Bärenmarkt in seiner Frühphase oder erst viel
später erkennen, die Frage bleibt die gleiche: Was tun, wenn er
bereits in der Tür steht? Die oberste Maxime lautet: Ruhe bewahren!
Niemals sollten Handlungsentscheidungen aus Angst getroffen
werden. Irrationales, emotional gesteuertes Agieren unterläuft
nicht selten Ihre langfristigen Anlageziele. Bärenmärkte lassen sich
nicht vermeiden, sie sind Teil der zyklischen Börsenentwicklung.
Man kann sich lediglich auf sie vorbereiten.
Zunächst gilt es herauszufinden, ob eine Baisse oder lediglich eine
Korrektur vorliegt. Der zumeist langsame Beginn eines typischen
Bärenmarkts kann einem die nötige Zeit verschaffen, um die Fundamentaldaten,
Marktbewegungen und potentielle Kurstreiber zu
analysieren. Ist man einem Bären auf die Spur gekommen, gehört
das Portfolio auf den Abwärtstrend vorbereitet und defensiv umgestellt.
Leider gibt es hierfür keine magische Formel, doch sollte die
26 BÖRSE am Sonntag · 10/19
Geschäftsführer von
Grüner Fisher Investments