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Huawei:
Der Bit- und Byte-Hells-Angel
des Internetzeitalters
Einig sind sich die Westeuropäer, wenn es um die Grundeigenschaften geht, die man dem chinesischen
Milliardenkonzern Huawei zuschreibt. Der ist auf fast allen denkbaren Technologiefeldern tätig, und das nicht
erst seit gestern. Seit Jahr und Tag arbeitet die Deutsche Telekom mit dem Netzwerkausrüster zusammen,
kaum ein Telekommunikationsunternehmen kommt an den Chinesen vorbei. Genau das ist das Problem.
Die EU-Kommission, die Bundesregierung, die westlichen Partner:
Huawei ist der Bit-und-Byte-Hells-Angel des Internetzeitalters.
Was den Konzern so unheimlich macht, ist, wie bei anderen
chinesischen Unternehmen auch, die enge Bindung an die
Kommunistische Partei und ihren Staatsapparat. Mag das bei
Plastikspielzeug, Unterhaltungselektronik oder auch Handelsplattformen
wie Alibaba die Sicherheitsbehörden und die Politik
noch kalt lassen – beim Aufbau kritischer Infrastrukturen
wie dem neuen Mobilfunkstandard G5 klingt es den Zielländern
in den Ohren wie ein Mittelding zwischen Gongschlag zur
letzten Runde und dem Totenglöcklein. Die Horrorvision geht
nämlich so: Huawei, im Rücken den chinesischen militärischindustriellen
Komplex, gestaltet sich vom Router bis zum Netzknoten
seine Infrastruktur so, dass sie planmäßige Einfallstore
für fremde Dienste enthält – und lässt sich vom Kunden dafür
noch bezahlen. Vom Telefonat bis zum Versand von Konstruktionszeichnungen
liefe alles über die Tische der chinesischen Strategen,
die dann zentralistisch entscheiden können, welche Technologie
man abgreift und welche Konkurrenz man ausschaltet.
Wo Fleiß und Kopiertätigkeit zusammentreffen, das weiß man in
der deutschen Industrie, und wo diese chinesischen „Tugenden“
dann auch noch wohlwollend, je nach Bedarf mit den Regeln des
Konfuzius oder aber der Kommunistischen Partei versehen, staatlicherseits
begleitet werden, da ist kein Patent mehr sicher. Leider
ist es Deutschland nicht gelungen, Peking die Hauptmerkmale
des Flughafens BER unterzujubeln oder ein „Shanghai 21“ nach
Stuttgarter Vorbild aufzudrücken – abgegriffen wird nur, was
bewährt ist.
Nun ist das alles bisher Behauptung und Verdacht, und die Empörung
von Huawei verstummt darob nicht. Kein Wunder –
man hat viele Milliarden im Feuer, und der Heimatmarkt, selbst
erweitert um die asiatischen Schwellenländer, kann einen Verlust
amerikanischer und europäischer Aufträge nicht ausgleichen.
Und der droht: Die USA gehen gegen Huawei vor, Australien
und Neuseeland schließen den Konzern von ihren technologischen
Infrastrukturen aus. Taktisch ungeschickt reagierte die
chinesische Führung unlängst mit Schikanen gegenüber Neuseeland
– und bewies damit jedenfalls, dass sie Huawei äußerst
verbunden ist. Die Boykotteure dürfen sich bestärkt fühlen.
In Europa allerdings hat der Konzern auch seine Freunde. Geschickt
macht man den osteuropäischen Ländern Angebote, die
sie kaum ablehnen können, und treibt damit möglicherweise einen
Keil in die EU. Aber auch Großbritannien hält die Risiken für
überschaubar – was immer das von einem Land bedeuten mag,
das auch einen chaotischen Brexit für eine kleine Unpässlichkeit
hält. Für Deutschland jedenfalls ist die Gemengelage unerfreulich.
Die deutsche Industrie warnt davor Huawei auszuschließen, denn
umgekehrte Behinderungen deutscher Exportunternehmen seien
fast zwangsläufig zu erwarten. Angesichts einer Wirtschaftsflaute
04 BÖRSE am Sonntag · 10/19
Schliekers Woche