AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Rezessionsrisiko der
deutschen Wirtschaft
deutlich erhöht
Kai Carstensen, Magnus Reif und Maik Wolters
Die konjunkturelle Abkühlung der deutschen Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2018
hat zu einer lebhaften Debatte darüber geführt, ob sich die deutsche Wirtschaft in einer
kurzfristigen konjunkturellen Schwächephase befindet oder ob eine länger anhaltende
Rezession zu erwarten ist. Bezugnehmend auf diese Debatte, liefert der vorliegende Artikel
eine Einschätzung zum aktuellen Rezessionsrisiko. Dazu wird ein dynamisches, nichtlineares
Faktormodell verwendet. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Gefahr einer Rezession
zurzeit deutlich erhöht ist und auch in den kommenden Quartalen mit einer konjunkturellen
Schwächephase zu rechnen ist. Insbesondere die seit einiger Zeit abwärts gerichteten
Befragungsdaten des ifo Instituts deuten darauf hin.
Nach einer ungewöhnlich langen Phase
des Aufschwungs geriet die deutsche Konjunktur
in der zweiten Jahreshälfte 2018
ins Stocken. So kam es im dritten Quartal
zum ersten Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts
(BIP) seit über drei Jahren,
und auch im Schlussquartal ergab sich
lediglich eine Stagnation. Die deutsche
Wirtschaft ist somit knapp einer technischen
Rezession entgangen. Diese wird
in der Regel als zwei aufeinanderfolgende
Rückgänge des BIP definiert. Während
die deutsche Konjunktur dabei zweifellos
von Sondereffekten, wie den Produktionseinbrüchen
in der Automobilindustrie
im Rahmen der WLTP-Zertifizierung
oder des anhaltenden Niedrigwassers im
Rhein, kurzfristig belastet wurde, gibt es
ebenfalls Anzeichen, die für eine länger
anhaltende Schwächephase sprechen. So
ist der ifo Geschäftsklimaindex im Februar
des laufenden Jahres auf den tiefsten
Stand seit Dezember 2014 gefallen. Insbesondere die Erwartungen
bezüglich der künftigen Geschäftslage haben sich deutlich
verschlechtert. Unter anderem dürften sich die Unsicherheiten in
Bezug auf die Brexit-Verhandlungen sowie der Handelskonflikt
zwischen den USA und China hier bemerkbar machen.
Diese Entwicklungen haben zu einer lebhaften Debatte geführt,
ob sich die deutsche Wirtschaft in einer kurzfristigen konjunkturellen
Schwächephase befindet oder ob eine länger anhaltende
Rezession zu erwarten ist. Diese Debatte hat auch die breitere
Öffentlichkeit erreicht. So steigen laut GoogleTrend-Statistik
die Suchanfragen nach dem Wort »Rezession« seit Oktober 2018
kontinuierlich. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob
die derzeitige konjunkturelle Abkühlung nur eine Unterbrechung
eines ansonsten intakten Aufschwungs oder der Beginn eines Abschwungs
ist.
Um das aktuelle Rezessionsrisiko für die deutsche Wirtschaft abzuschätzen,
verwenden wir den von Carstensen et al. (2017) entwickelten,
zweistufigen Ansatz zur frühzeitigen Erkennung konjunktureller
Schwächephasen. In der ersten Stufe werden mittels
maschinellen Lernens aus einem Datensatz mit 35 monatlichen
12 BÖRSE am Sonntag · 14/19