AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Der Brexit drückt
auf die Stimmung und bremst die Konjunktur
Europa schaut gespannt auf Großbritannien, wo sich das britische Parlament in eine schier ausweglose
Situation hineinmanövriert hat. Über die zuletzt ins Spiel gebrachte Verlängerung der Verhandlungsfrist mit der
EU bis kurz vor den Europawahlen im Mai ist bislang noch nichts entschieden. Christian Nemeth, CIO und
Mitglied des Vorstandes der Zürcher Kantonalbank Österreich AG, nimmt Stellung zur aktuellen Lage und zeigt
auf, welche Vorkehrungen die Privatbank getroffen hat und wie sie die Portfolios ihrer Anleger aufstellt.
Christian Nemeth
38 BÖRSE am Sonntag · 14/19
Gastbeitrag
CIO Zürcher Kantonalbank
Österreich AG
Ein ungeordneter Austritt der Briten aus
der EU ist für uns nach wie vor ein sehr
unwahrscheinliches Szenario. Alle Beteiligten
auf Seiten der EU und in Großbritannien
lehnen den ungeordneten Brexit
ab, was insbesondere die Abstimmungen
im britischen Parlament gezeigt haben.
Problematisch ist jedoch, dass sich das
britische Parlament zwar einig ist, was
es alles nicht will, jedoch wenig konstruktiv
an die Lösungsfindung herangeht.
Daher besteht ein gewisses Risiko, dass
ein ungeordneter Austritt als eine Art
politischer Unfall resultiert. Dies könnte
dann eintreten, wenn sich die einzelnen
Fraktionen weiterhin blockieren und
damit Fristversäumnisse unkontrollierte
Kettenreaktionen auslöst bzw. auch auf
EU-Seite im entscheidenden Moment
Uneinigkeit aufkommt und sich die Situation
chaotisch zuspitzt. Kurzfristig wäre
solch ein Ereignis für beide Seiten klar
schädlich, da beide Seiten auf diesen Fall
nur sehr schlecht vorbereitet sind. Aus
Sicht der Finanzmärkte ist ein solches
Szenario ebenfalls nicht eingepreist und würde auf der Aktienseite
zu Kursverlusten führen und das britische Pfund unter
Druck bringen.
Gleichzeitig gibt es aber nach wie vor große Hürden, bis der
von Premierministerin May und der EU verhandelte Austrittsvertrag
am Ende zum Abschluss kommt. Obwohl diese Lösung
nach wie vor nicht endgültig vom Tisch ist, schätzen wir die
Wahrscheinlichkeit einer Zustimmung des Parlaments auf nicht
mehr als 25%. Die politische Debatte steuert offenbar auf einen
weicheren Brexit zu, nämlich ein Verbleiben der Briten im
EU-Binnenmarkt bzw. der Zollunion. Dies ist insofern bemerkenswert,
da es nach wie vor einen harten Kern von Brexit-Befürwortern
gibt, der zu keinerlei Kompromissen bereit ist. Sollte
ein gemäßigter Brexit-Deal kommen, wäre dies sicherlich ein
positiver Impuls für die Märkte. Der Rechtsrahmen zwischen
Großbritannien und der EU würde sich weniger massiv verändern
und die notwendige Basis für ein Anspringen der Investitionstätigkeit
wäre vorhanden. Für uns als Investoren wäre dies
ein ermutigendes Signal.
Für unsere Portfolios haben wir in zweierlei Hinsicht Vorkehrungen
getroffen. Im Fall eines Brexit wäre es zum einen bei britischen
Investmentfonds nicht sicher, wie es mit dem EU Passporting
– dieses System regelt Angebot und Handel dieser Produkte