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verhindert werden sollen. Als Vorteil käme
hinzu: Für die EZB entfiele der Druck, mit
allen Mitteln für höhere Inflationsraten
kämpfen zu müssen. Allerdings würde sich
die Zentralbank damit ein Glaubwürdigkeitsproblem
einhandeln. Der erste EZBPräsident
Wim Duisenberg sagte einst,
man ändere die Spielregeln nicht in der
Mitte des Spieles. Selbst wenn die EZB zu
der Einschätzung käme, ein niedrigeres
Inflationsziel von beispielsweise 1,5% sei
künftig sinnvoll, wäre es der Öffentlichkeit
nicht glaubwürdig zu vermitteln, nachdem
die EZB jahrelang mit mäßigem Erfolg
versucht hat, die Inflationsrate wieder
Richtung zwei Prozent zu treiben. Der Verdacht
des Scheiterns und der willkürlichen
Zielanpassung wäre nicht zu vermeiden.
Strategiewechsel der EZB?
Inflationssteuerung versus
Preisniveausteuerung
Der finnische Notenbank-Präsident Olli
Rehn, der auch als potentieller Nachfolger
von EZB-Präsident Mario Draghi gehandelt wird, hat kürzlich
eine andere geldpolitische Strategie für die EZB ins Spiel
gebracht, um die Inflationserwartungen der Verbraucher und
Marktakteure nach oben zu bewegen. Bei höheren Inflationserwartungen
könnten die Verbraucher aus Sorge vor einem bevorstehenden
Preisanstieg ihren Konsum vorziehen. Damit könnte
es zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung kommen: Wegen
höherer Inflationserwartungen steigen die Konsumausgaben, wodurch
wiederum die Preise steigen. Tatsächlich haben sich die
Inflationserwartungen bei rund eineinhalb Prozent eingependelt.
Im Durchschnitt (Median) erwarten die von Bloomberg befragten
Analysten für die Eurozone Inflationsraten von 1,4% (2019),
1,5% (2020) und 1,7% (2021). Darüber hinaus liegen die längerfristigen
Markterwartungen sogar noch niedriger. Die EZB
könnte nun einfach ihr Inflationsziel anheben –zum Beispiel auf
drei Prozent–und damit signalisieren, dass die Preise künftig
stärker steigen sollen. Es darf allerdings bezweifelt werden, dass
ein solcher Schritt erfolgreich wäre. Wie oben erläutert erreicht
die EZB schon das Ziel von knapp zwei Prozent nicht – trotz
größter Anstrengungen und trotz desregelmäßigen Hinweises,
sie verfüge über die nötigen Instrumente, um die Inflation
auf das von ihnen gewünschte Niveau zu heben. Warum aber
sollte jemand einen schnelleren Anstieg des Preisniveaus erwarten,
nur weil die Zentralbank das Inflationsziel, an dem sie sich
39 BÖRSE am Sonntag · 22/19
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