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„Banken müssen jetzt handeln“
Burkard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, ist einer der einflussreichsten Finanzlenker der Republik.
Im Interview mit der BÖRSE am Sonntag erklärt das ehemalige Mitglied des Wirtschafts- und Währungsausschusses
im Europaparlament, warum Tech-Unternehmen Banken in die zweite Reihe drängen könnten,
weshalb Monopolisierungstendenzen sozialer Medien durch Zahlungsmittel wie Libra steigen, ob es demnächst
großen Ratingagenturen in Europa geben wird und wie wahrscheinlich eine Finanzkrise ist.
BÖRSE am Sonntag: Als Bundesbank-Vorstand sind
Sie unter anderem für den unbaren Zahlungsverkehr
zuständig. Sie sprechen sich hier für europäische
Lösungen aus. Wie könnten diese aussehen?
Burkhard Balz: Mit SEPA haben wir in Europa bereits eine solide
und sichere Infrastruktur für das bargeldlose Bezahlen. Aber in den
letzten Jahren hat sich viel verändert. Und die Ansprüche der Kunden
sind enorm gestiegen. Ebenso wie mit E-Mail, WhatsApp und Co.
Nachrichten in Echtzeit ausgetauscht werden, sollen auch Zahlungen
an der Ladenkasse, im Onlinehandel und zwischen Personen sicher,
bequem und unverzüglich erfolgen.
Mit dem nationalen girocard-System und den digitalen Bezahllösungen
wie Paydirekt oder Kwitt existieren in Deutschland schon bequeme,
sichere Zahlungslösungen. Die Kunden können diese jedoch
nur innerhalb der deutschen Landesgrenzen einsetzen.
Seit Oktober 2017 gibt es mit den sogenannten Instant Payments ein
europaweites Basisverfahren, um Geld innerhalb von wenigen Sekunden
europaweit von einem Konto auf das andere zu senden und
zu empfangen. Instant Payments eignen sich dabei nicht nur für die
klassischen Zahlungen von Konto zu Konto, sondern eben auch als
Grundlage für Bezahllösungen an der Ladenkasse, im Onlinehandel
und zwischen Personen. Insoweit können Instant Payments zu einem
in ganz Europa nutzbaren Schlüssel für die Digitalisierung von Zahlungsdiensten
werden. Wie sich dieser Schlüssel am besten einsetzen
lässt, um neue Bezahllösungen zu etablieren, muss die Kreditwirtschaft
aber selbst herausfinden – und zwar durch überzeugende Produkte
für die Kunden.
Technologiekonzerne wie PayPal und Apple dringen
immer mehr in das klassische Bankengeschäft ein.
Diese Unternehmen wollen den Zahlungsverkehr und
die meist sehr bürokratischen Kreditgeschäfte vereinfachen
– an vielen Stellen gelingt das. Verlieren die
traditionellen Geldhäuser den Anschluss?
15 BÖRSE am Sonntag · 27/19
Die großen Technologieunternehmen (Big-
Techs) treten in der Tat verstärkt auch in
Europa als neue Wettbewerber im Zahlungsverkehr
auf. Sie besetzen inzwischen häufig
den letzten Meter zum Kunden, wodurch die
klassischen Anbieter in die zweite Reihe gedrängt
werden könnten.
Ob die traditionellen Geldhäuser den Anschluss
verlieren, wird die Zukunft zeigen. Es
wäre wichtig, baldmöglichst eine (unabhängige)
europäische Zahlungsverkehrslösung
zu schaffen, beispielsweise auf der Basis von
Instant Payments. Dies erfordert sicher einige
Koordination und viel Entschlussfreudigkeit.
Aber angesichts der sich rasant entwickelnden
Aktivitäten der BigTechs gilt es, keine
Zeit zu verlieren. Wer wartet, bis die Zeit sich
wandelt, kommt zu spät. Die Banken müssen
jetzt handeln.
Neue smarte Bezahllösungen auf Basis von
Instant Payments könnten den Angeboten
der BigTechs Konkurrenz machen. Dabei
bieten sich auch ganz neue Möglichkeiten:
Künftig kann derjenige, der noch Geld erwartet,
dem Zahler eine Nachricht mit der
Aufforderung zur Zahlung (Request-to-Pay)
zukommen lassen. Dieser kann dann sofort
mit Instant Payments zahlen. Damit entsteht
eine europaweit nutzbare Alternative beispielsweise
zur Lastschrift. Die traditionellen
Geldhäuser können dabei ihre Vorteile ins
Feld führen: langjährige Kundenbeziehungen
sowie der sorgsame Umgang mit Kundendaten.
Dies sorgt für Vertrauen.
Interview