AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART
2. Der schwache Dollar
Gleichfalls Folge der US-Geldpolitik-
Kehrtwende – auch Japan denkt übrigens
über Zinssenkungen nach, Australien und
Neuseeland haben bereits eingegriffen – ist
ein sich abschwächender Dollar-Kurs. Da
Gold global in US-Dollar gehandelt wird,
wird es günstiger für Nachfrager außerhalb
der Vereinigten Staaten, was – zumindest
in der Theorie – die Käufe ankurbelt.
3. Die Krisen
Neben dem handelspolitischen Dauerstreit
mit China, sieht die USA nun auch einem
immer bedrohlicher wirkenden Konflikt
mit dem Iran entgegen. Die vermeintlichen
Angriffe des Iran auf Öltanker im Golf von
Oman, der Abschuss einer US-Drohne, im
Gegenzug die Verschärfung der Sanktionen,
die wiederum den Iran zur Aussage
verleiteten, der Weg zu diplomatischen
Lösungen sei für immer verschlossen. Es
kracht gefährlich laut zwischen den beiden
Staaten. Die Gefahr eines Krieges wird
immer realer. Vor allem auch, da sich der
Iran und Saudi Arabien – ein Verbündeter
der USA – in Syrien und dem Jemen schon
seit längerer Zeit eine Art Stellvertreterkrieg
leisten. Es bräuchte also gar keinen
US-Angriff, eine militärische Eskalation
zwischen den beiden Großmächten des
Nahen Ostens würde ausreichen, um die
Region ins Chaos zu stürzen. Darüber hinaus
darf die Angst bestehen, dass in der
Folge noch mehr Staaten eingreifen, um
ihre Interessen in der nicht nur aufgrund
ihres Öls strategisch wichtigen Weltregion
zu verteidigen. Hinzu kommen „kleinere“
Krisen, wie das Chaos um den Brexit, der
Haushaltsstreit in Italien und überhaupt
ein relativ zerstrittenes Europa.
4. Die Weltwirtschaft
Die Rezessionssorgen nehmen wieder zu.
Der Handelsstreit zwischen China und
den USA schwelt weiter und bedroht die
Weltwirtschaft. Hinzu kommen weitere handelspolitische Drohgebärden
aus den USA in Richtung Mexiko und Europa. Eine
Eskalation im Nahen Osten würde wohl die Ölpreise rasant steigen
lassen, was die angeschlagene Weltwirtschaft zur Unzeit empfindlich
treffen würde. Vor allem im industriellen Sektor häufen
sich seit vergangenem Jahr die Gewinnwarnungen. Ob nun Chemiebranche
oder Automobilsektor, allmählich scheint das Wachstum
diesbezüglich und mit Blick auf die derzeit großen, weitestgehend
erschlossenen Märkte, an Grenzen zu geraten. Das könnte
die Anlage in Aktien weniger lukrativ erscheinen lassen.
5. Die Charttechnik
Mit dem erfolgten Preisanstieg, hat der Kurs für eine goldene Feinunze
den – wie HSBC-Analyst Jörg Scherer schreibt – „ultimativen
Deckel“ bei 1.370 Dollar durchbrochen und so eine multiple
Schulter-Kopf-Schulter-Formation vervollständigt. Er sehe deshalb
das kalkulatorische Anschlusspotenzial bei rund 300 Dollar.
Gleichzeitig liegt nach dem rasanten Anstieg der prozentuale
Abstand zwischen Goldpreis und 21-Tagelinie bei 6,6 Prozent, der
zwischen Goldpreis und 200-Tagelinie sogar bei elf Prozent. Das
deutet auf eine baldige Korrektur hin, während der langfristige
und übergeordnete Aufwärtstrend jedoch weiterhin besteht.
Fazit
Für den Moment spricht vieles für einen weiter steigenden Goldpreis.
Jasper Lawler, Leiter des Researchs des Derivatehändlers
London Capital Group, hält einen Preisanstieg auf 1.680 Dollar
für möglich. Dollar-Schwäche, mögliche Zinssenkungen und die
geopolitische Situation, wären gute Gründe, sagte er der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung. Ole Hansen, Rohstoffstratege bei Saxo
Bank sagte: „Triebfeder für den Anstieg ist offensichtlich die amerikanische
Notenbank Fed, die dem Markt das Zinssenkungssignal
gegeben hat, auf das er gewartet hat.“
Zum großen Teil scheint ein Investment in das Edelmetall derzeit
aber eine Spekulation auf eine Eskalation im Nahen Osten
zu sein. Die wieder gelockerte US-Geldpolitik dürfte schon zum
großen Teil eingepreist sein. Überhaupt könnte dem Goldpreis
der zuletzt arg gestiegene Optimismus unter Investoren gefährlich
werden. Wie aus dem Commitments of Traders-Report der
US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission
hervorgeht, haben sich jüngst zum dritten Mal in Folge die Netto-
Long-Positionen im zweistelligen Prozentbereich erhöht. Um 10,8
Prozent von 202.000 auf knapp 224.000 Kontrakte. Auch wenn er
also wieder fleißig angefahren wird, wie sicher der „sichere Hafen“
Gold derzeit wirklich ist, bleibt völlig offen. Oliver Götz
36 BÖRSE am Sonntag · 27/19