45 BÖRSE am Sonntag · 27/19
Marktpreise für Zinssenkungen im Jahr
2019 ein beträchtlicher Spielraum für
Enttäuschungen, vieles deutet darauf
hin, dass das aktuelle Volatilitätsniveau
auch in der zweiten Jahreshälfte anhalten
sollte. Die Gesamtbewertungen für diese
Anlageklasse sind nicht besonders hoch,
da sich die meisten Kennzahlen nahe ihrer
langfristigen Normalstände bewegen.
Im Hinblick auf die wichtigsten Indizes
ist eine signifikante Abweichung zwischen
den hohen Kursen für Growth-/
Qualitätstiteln und den angeschlagenen
Value-Werten zu beobachten. Das offensichtliche
Risiko unserer Positionierung
besteht darin, dass sich das Szenario des
Handelskriegsrisikos rasch umkehrt, was
zu einer breit angelegten Kursrallye führen
dürfte, wie sie sich bei der Aufhebung
der Zölle auf Produkte aus Mexiko kurz
nach der Einführung zeigte.
Verglichen mit dem US-Markt,
wie schätzen Sie die Renditechancen
an den Börsen in Deutschland
und Europa ein?
Die Untergewichtung europäischer Aktien zählt zu unseren
wichtigsten Positionen. Die Kombination aus einem sehr schwachen
makroökonomischen Umfeld, negativen Gewinnrevisionen
sowie politischen Rahmenbedingungen geben weiterhin Grund
zur Sorge. Weder in den Daten der deutschen Industrie noch in
chinesischen Daten finden sich Anzeichen für eine wirtschaftliche
Erholung. Ein großes Risiko könnte darin bestehen, dass die
Trump-Regierung ihr Augenmerk auf die deutsche Automobilindustrie
richtet und ihr Zölle auferlegt. Die Anlegerstimmung
bleibt fragil und zeigt sich in hohen Abflüssen aus der Anlageklasse.
So liegen die seit 2000 kumulierten Zuflüsse in europäische
Aktienfonds aktuell wieder auf dem Niveau von 2015.
Wir nehmen eine neutrale Haltung zu US-Aktien ein, da die
Aktivitätsdaten darauf hindeuten, dass das reale BIP-Wachstum
weiterhin in einem komfortablen Bereich liegt. Zugleich ist der
Verbrauch in den USA als der Haupttreiber der US-Nachfrage
derzeit nicht beeinträchtigt – dank einer geringen Verschuldung
und eines noch immer sehr hohen Vertrauensniveaus. Auch bei
Schwellenländer-Aktien nehmen wir angesichts einer möglichen
Eskalation der Handelsspannungen, die sehr destruktiv sein
könnten, eine neutrale Haltung ein. Trotz des Fed-Pivots und
der Impulse aus China erweist sich der stärkere US-Dollar als
starker Gegenwind. Spezifische Probleme in einigen der größeren
Länder lassen das Bild ebenfalls unklar erscheinen, während das
Sentiment und die Ströme stark negativ sind.
Das Gespräch führte Oliver Götz
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AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART
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