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E-Yuan:
China setzt den Westen unter Druck
Weltweit arbeiten Staaten und Unternehmen an der Entwicklung digitaler Zahlungsmittel. Die Volksrepublik
behauptet nun, vor dem Start einer offiziellen Digitalwährung zu stehen. Es wäre ein bahnbrechender
Schritt in der Geschichte des internationalen Bankenwesen.
„Die digitale Währung der Zentralbank kann als fertig bezeichnet
werden“, heißt es aus dem Mund eines Notenbankers, der in
der westlichen Welt bislang weitestgehend unbekannt war. Mu
Changchun ist sein Name. Der Chinese ist Vizedirektor der chinesischen
Zentralbank PBOC und verantwortlich für den Bereich
Zahlungen. Wenn die Volksrepublik seine Pläne tatsächlich
umsetzt, wäre China das erste Land mit einer eigenen Digitalwährung.
Während Kanada, Schweden und Uruguay seit einiger
Zeit offiziell an der Einführung einer virtuellen Währung arbeiten,
präsentiert Mu in diesen Tagen überraschend den E-Yuan
– ein machtvolles Instrument, das neben zahlreichen Chancen
viele Risiken birgt.
Es musste schnell gehen. Hätte Facebook nicht angekündigt,
2020 eine eigene Digitalwährung namens Libra auf den Markt
zu bringen, würden die Chinesen vermutlich nicht so rasant
vorpreschen, sagt Martin Chorzempa, Experte für Fintechs
und China am Washingtoner Peterson Institut of International
Economics, gegenüber dem Handelsblatt. Dass die Eile auf
die öffentlichen Pläne der Libra Association zurückzuführen
sind, legen auch die Äußerungen von Wang Xin, Leiter der Forschungsabteilung
der PBOC, nahe. China sei im elektronischen
Zahlungsverkehr früh gestartet, aber durch Libra sei das Projekt
einer eigenen digitalen Währung dringender geworden, sagt
Xin. „Eine von US-amerikanischen Firmen kontrollierte, weltweit
erfolgreiche Digitalwährung ist für Peking ein Schreckensszenario“,
ergänzt der Finanzexperte des Instituts der deutschen
Wirtschaft Markus Demary die Aussage
des Chinesen. Im Gegensatz zur Digitalwährung
Libra, die von 28 milliardenschweren
Partnern initiiert werden
soll, ist der E-Yuan eine Erfindung der
chinesischen Zentralbank – auch wenn
er zusammen mit Tech-Konzernen und
Banken herausgegeben werden soll. Damit
wäre der E-Yuan eine zentral organisierte
Digitalwährung, deren Wert direkt
von der Zentralbank garantiert würde.
Die Digitalwährung soll aber nicht allein
auf der Blockchain-Technologie
basieren. Grund dafür sei die immense
Datenmenge, die innerhalb kürzester
Zeit verarbeitet werden muss, um die
zuverlässige Abwicklung des Privatkundengeschäfts
zu garantieren. In Zahlen:
300.000 Transaktionen pro Sekunden.
Anfangs scheint der E-Yuan auf Zahlungen
im Privatkundengeschäft und nicht
auf das Großkundengeschäft ausgerichtet
zu sein. Doch allein dieser Schritt wäre
ein „bahnbrechender Schritt in der Geschichte
des Bankenwesens“, sagt Boon-
Hiong Chan, Chefanalyst der globalen
Transaktionsbank der Deutschen Bank.
16 BÖRSE am Sonntag · 35/19