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Das grüne Dilemma
Geht es nach der Europäischen Union, dann sollen private Investoren jährlich rund 180 Milliarden Euro in
nachhaltige Investments stecken. Nur so könnten die Klimaziele der EU doch noch erreicht werden. Um mehr
privates Kapital zu locken, sollen deshalb einheitliche Definitionen und Vorgaben her. Anleger wollen aber vor
allem eins wissen: Werfen nachhaltige Investments bessere oder schlechtere Renditen ab?
Eine Vorreiterin für den Klimaschutz ist
sie schon längst – nun darf sich Greta
Thunberg auch Botschafterin des Gewissens
nennen. So zumindest betitelt
Amnesty International die schwedische
Klimaaktivistin und verleiht ihr den
gleichnamigen Preis. Die Proteste der
Jugend und die Wahlerfolge der Grünen
haben für eine gesellschaftliche und
politische Dynamik gesorgt, der sich
auch die Finanzwelt nicht mehr entziehen
kann. Und so hängt sich inzwischen
fast jeder Anbieter von Geldanlagen ein
grünes Mäntelchen um. Bei Anlegern
kommt das gut an, wenngleich die wenigsten
wissen, was genau hinter der
neuen, nachhaltigen Fassade steckt. Und
deshalb werden die Rufe nach Regeln
für Nachhaltigkeit in der Finanzbranche
immer lauter. Sobald das Personaltableau
steht und die neuen EU-Kommissare ihre
Posten bezogen haben, steht der Aktionsplan
für ein nachhaltiges Finanzwesen
zur Debatte, und damit die Frage, wie
streng das Regelwerk werden soll. Laut
Kommissionschef Jean-Claude Juncker seien zusätzliche Investitionen
von 180 Milliarden Euro pro Jahr notwendig, um die
Emissionsziele der Europäischen Union bis 2030 zu erreichen.
Ohne steigende privaten Investitionen wäre das nicht zu stemmen.
Der „technische Bericht“ zur Klassifizierung nachhaltiger
Wirtschaftsbereiche, vorgelegt von einer Expertengruppe der
Kommission, definiert sechs positive Umweltziele und daneben
67 Aktivitäten, die zum Klimawandel beitrügen.
Die eigentliche, und aus Sicht der Privatanleger wichtige, Frage
lautet: Werfen nachhaltige Investments bessere oder schlechtere
Renditen ab? Fest steht, dass grüne Investments nur 4,5
Prozent am deutschen Fondsmarkt ausmachen. Das zeigt eine
aktuelle Statistik des Forums Nachhaltige Geldanlage (FNG).
Der Verband beziffert das Volumen des in Deutschland nach
ESG-Prinzipien (ESG steht für „Environmental, Social und
Governance“) angelegten Kapitals für 2018 auf 219 Milliarden
Euro. Zwar verzeichnen nachhaltige Fonds und Mandate ihr
größtes Wachstum seit Beginn der Erhebung und legen um insgesamt
41 Milliarden Euro zu, trotzdem bleibt der Großteil
der Anleger auf Abstand. Kurzum: Beim eigenen Geld endet
das Interesse der Deutschen am Klimaschutz. So fällt es vielen
nicht nur schwer, den eigenen CO2-Fußabdruck zu verkleinern,
sondern auch, das richtige, grüne Investment zu finden.
Ist die weitestgehend fehlende Bereitschaft für ökologisches
BÖRSE 44 am Sonntag · III | 2019