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„Gold ist sozusagen
die ultimative Währung“
Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa und Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre
an der Universität Bayreuth, über den plötzlichen Anstieg des Goldpreises, den schwindenden
Tauschwert des Geldes und Chancen, die sich Anlegern nun eröffnen könnten.
BÖRSE am Sonntag: Herr Polleit,
geopolitische Krisen halten die
Welt nicht erst seit diesem Jahr
bereit. Auch der Handelsstreit zwischen
den USA und China schwelt
schon länger. Warum steigt der
Goldpreis erst jetzt?
Thorsten Polleit: Ich kann hier nur spekulieren.
Vermutlich wird weltweit immer
mehr Anlegern klar, dass die Zentralbanken
die Volkswirtschaften immer
tiefer in die finstere Welt der Minuszinsen
führen. Das Problem dabei ist nicht
nur das Versiegen der Zinseinkünfte,
sondern dass Null- und Negativzinsen
unseren Wohlstand untergraben. Vereinfacht
gesprochen: Ohne Zins kann es kein
Wirtschaften geben. Schwindet aber die
Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften,
gerät das ungedeckte Papiergeldsystem ins
Wanken – und die Zentralbanken werden
noch mehr Geld aus dem Nichts drucken
und in Umlauf bringen. Das höhlt die
Kaufkraft von US-Dollar, Euro und Co.
immer weiter aus. Gold ist eine Möglichkeit,
einer solchen Entwertung zu entkommen.
Die erwartete Entwertung der
offiziellen Währungen zeigt sich bereits
im steigenden Goldpreis.
Inzwischen ist das Edelmetall so
teuer wie seit sechseinhalb Jahren
nicht mehr. Ist es schon zu spät für
einen Einstieg?
Für Anleger, die langfristig ausgerichtet
sind, die also einen Horizont von, sagen
wir, drei bis fünf Jahren haben, sind die Preise für Gold und Silber
nach wie vor attraktiv. Einen langen Atmen haben, nicht so
sehr auf das kurzfristige Marktgeschehen zu schauen, ist ohnehin
wichtig. Der Goldpreis ist in den letzten 20 Jahren um jahresdurchschnittlich
BÖRSE 54 am Sonntag · III | 2019
knapp 9 Prozent gestiegen – wohlgemerkt nach
Steuern! In den letzten fünf und zehn Jahren betrug der Preisanstieg
durchschnittlich jeweils mehr als 7 Prozent. Gold hat
damit weitaus besser abgeschnitten als verzinsliche US-Dollar-
oder Euro-Anlagen – und übrigens auch besser als der DAX. Ich
denke, die Vorteilhaftigkeit von Gold gegenüber den offiziellen
Währungen wird sich in den kommenden Jahren noch deutlich
zeigen.
Worauf müssen Anleger achten, wenn sie jetzt in Gold
investieren wollen?
Für Anleger, die kurzfristige Handelsstrategien im Gold- und
Silbermarkt verfolgen, sind zum Beispiel Indexzertifikate geeignet,
die sich mit geringen Kosten handeln lassen. Wer Gold mit
längerem Zeithorizont halten will, der ist gut beraten, Gold in
physischer Form zu kaufen. Denn der Anleger ist hier keinem
Zahlungsausfall- und Kontrahentenrisiko ausgesetzt. Zudem ist
der physische Kauf eine einfache und bequeme Sache. Grundsätzlich
bietet es sich dabei an, möglichst große Gewichtseinheiten
beziehungsweise Barren zu erwerben. Auf diese Weise erhält
man nämlich das meiste Gold fürs Geld. Das liegt an den Präge-
und Formkosten, die bei großen Einheiten prozentual weniger
stark zu Buche schlagen wie bei kleinen Einheiten.
Für wie sicher halten Sie den „sicheren Hafen“ Gold
derzeit?
Genau so sicher wie in den letzten mehr als 4.000 Jahren auch.
Gold ist sozusagen die ultimative Währung. Das ist wichtig zu
verstehen: Gold ist im Kern eine Währung, sie konkurriert mit
den offiziellen ungedeckten Papierwährungen wie US-Dollar,
Euro, japanischer Yen, chinesischer Renminbi oder Schweizer
Franken. In Zeiten, in denen die Zentralbanken versuchen,
Dr. Thorsten Polleit
Chefvolkswirt
der Degussa