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Ausland verlagern. Hier kann man mit erheblichen negativen Wirkungen
auf Investitionen und Arbeitsplätze in Deutschland rechnen.
Ähnliches gilt für größere und börsennotierte Kapitalgesellschaften,
die in der Regel ausländische Aktionäre haben. Auf eine deutsche
Vermögensteuer würden sie reagieren, indem sie Investitionen ins
Ausland verlagern und die in Deutschland verbleibenden Aktivitäten
stärker mit Schulden statt Eigenkapital finanzieren. Das ist leicht
so gestaltbar, dass auf die ausländischen Aktivitäten keine inländische
Ergänzung der Redaktion
Erbschafs- und Vermögenssteuern in EU- und Efta-Staaten
30 BÖRSE am Sonntag · 44/19
Vermögensteuer anfällt.
Unterm Strich: Weniger Wachstum und weniger
Steuereinnahmen statt mehr
Im Jahr 2017 hat das ifo Institut eine modellbasierte Analyse
der Einführung verschiedener Varianten von Vermögensteuern
in Deutschland vorgelegt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass eine
Vermögensteuer in Höhe von 1 Prozent, mit einem Freibetrag in
Höhe von einer Million Euro, aber ohne weitere Ausnahmen ein
Steueraufkommen von 17 Milliarden Euro pro Jahr erwirtschaften
würde. Gleichzeitig würden die Unternehmen ihre Investitionen
deutlich reduzieren, das Wachstum würde zurückgehen.
Nach einer Übergangszeit von acht Jahren wäre die Wirtschaftsleistung
in Deutschland um 6 Prozent niedriger als ohne die
Steuer, das Aufkommen aus Einkommen- und Konsumsteuern
würde ebenfalls sinken. Per saldo wäre das Steueraufkommen geringer.
Die Ergebnisse derartiger Simulationsstudien müssen kritisch
und im Lichte der zugrunde gelegten Annahmen betrachtet
werden. Eine wichtige Prämisse dieser Studie liegt darin, dass
die Einnahmen aus der Vermögensteuer nicht investiv, sondern
konsumtiv verwendet werden. Bei investiver Verwendung zumindest
eines Teils der Steuereinnahmen würde die Bilanz besser
aussehen, aber dass die negativen Wachstumseffekte ganz verschwinden,
ist unwahrscheinlich. Die Studie betrachtet als Variante
eine Vermögensteuer, die Immobilien stärker belastet als
Betriebsvermögen. Das reduziert die Wachstumseinbußen, aber
auch die Umverteilungseffekte.
Erfahrungen anderer europäischer Länder
Neben derartigen Simulationsstudien, die Effekte hypothetischer
Steuerreformen abschätzen, gibt es empirische Analysen zu den
Wirkungen existierender Vermögensteuern. Eine Studie über die
Schweiz kommt zu dem Ergebnis, dass eine 1-prozentige Vermögensteuer
das deklarierte Vermögen um 23 bis 34 Prozent reduziert. Es
gibt also eine massive Kapitalflucht. In Dänemark wurde der Spitzensatz
der Vermögensteuer 1989 von 2,2 auf 1 Prozent gesenkt.
1997 wurde sie ganz abgeschafft. Die Senkung von 2,2 auf 1 Prozent
steigerte das deklarierte Vermögen in der betroffenen Gruppe
innerhalb von acht Jahren um 30 Prozent. Schweden hatte bis 2007
eine Vermögensteuer. Auch dort reagierten die Steuerzahler massiv
auf die Abschaffung der Vermögensteuer. Es gibt aber auch Studien,
die nur schwache Ausweichreaktionen finden. Man kann davon
ausgehen, dass es sich bei den beobachteten Vermögensänderungen
um eine Mischung aus realen Veränderungen bei der Kapitalbildung
und Steuergestaltungsmaßnahmen wie etwa die Verlagerung
von Aktiva in steuerlich begünstigtes Betriebsvermögen handelt. Die
beobachteten Effekte sind stark von der jeweiligen Ausgestaltung
und Durchsetzung der Vermögensteuer abhängig und deshalb nicht
ohne Weiteres auf Deutschland übertragbar.
Dass eine umfassende Vermögensteuer für Deutschland erhebliche
negative Auswirkungen auf Investitionen und Arbeitsplätze
haben könnte, bestreiten im Übrigen auch Befürworter der Steuer
nicht. Die SPD schlägt deshalb vor, für Betriebsvermögen analog
zur Erbschaftsteuer Ausnahmen vorzusehen. Das hat den Haken,
dass die meisten großen Vermögen in Deutschland nun einmal
Anteile an Unternehmen sind. Werden sie verschont, mutiert die
Vermögensteuer zu einer Steuer auf mittelständische Unternehmer
und Freiberufler, die für ihre Altersvorsorge Immobilienvermögen
aufgebaut haben. Damit würden die Ungerechtigkeiten, die derzeit
die Erbschaftsteuer in Deutschland auszeichnen, ausgeweitet. Es
könnte keine Rede mehr davon sein, dass die Nettovermögensteuer
die „Multimillionäre“ in Deutschland trifft.
Fazit: Gerechtere Vermögensverteilung über andere
Wege erreichen
Die Frage, ob mehr für eine faire Verteilung von Steuerlasten und
eine ausgeglichenere Vermögensverteilung in Deutschland getan
werden kann, ist berechtigt. Eine Nettovermögensteuer ist aber