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Japanische
Verhältnisse in Europa?
fest. Bei der nächsten Konjunkturkrise bliebe nach den Erfahrungen
Japans nur noch das Mittel einer Ausweitung der Kaufprogramme
und der gezielten Einflussnahme auf die Zinsstrukturkurve. „Die Fiskalpolitik
wird aus diesem Grund zukünftig die Hauptlast der Krisenbekämpfung
übernehmen müssen“, unterstreicht Tilmann Galler.
Aus diesem Grund werde es in der Eurozone sehr wahrscheinlich zu
einer Art Hysteresis-Effekt kommen – also einer Fortdauer der Wirkung
trotz Wegfall der Ursache. „Jede zukünftige Krise katapultiert
die Staatsschuld pro BIP dann auf ein neues Level, ähnlich wie wir
es in Japan gesehen haben“, so Galler.
Die Anleger-Sicht
Für die Rentenmärkte hoher Bonität in Europa ist die Aussicht auf
eine anhaltende Niedrigzinsphase laut Tilmann Galler keine gute
Nachricht. „Ähnlich wie bei japanischen Anleihen birgt einzig eine
weitere Verflachung der Zinsstrukturkurve noch Ertragspotenzial
für die nähere Zukunft“, erklärt der Experte.
Bei Aktien stoße der Vergleich jedoch an seine Grenzen: Japan
erlebte in den 80er-Jahren einen gewaltigen Aktien- und
Immobilienboom, in der letzten Phase benötigte der Nikkei-Index
nur vier Jahre, um seinen Wert auf sein Allzeithoch von 39.000
Punkten zu verdreifachen. 1989 erreichte der Nikkei-Index ein
Kurs-Gewinn-Verhältnins (KGV) von 70. „Das enorme Ausmaß der
Überbewertung in Japan hat dazu geführt, dass der Aktienmarkt
selbst 30 Jahre nach dem Platzen der Blase die früheren Höchststände
bisher nicht erreicht hat, und damit der japanischen Stagnation
zusätzlichen Schrecken verliehen hat“, führt Galler aus.
Allerdings sei anzumerken, dass die Unternehmensgewinne pro Aktie
im vergangenen Jahr nicht nur ein neues Allzeithoch erreicht
haben, sondern auch inzwischen doppelt so hoch sind wie zum Höhepunkt
der Aktienblase 1989“, analysiert der Experte. Die Fallhöhe
der Märkte in Europa war im Gegensatz dazu geringer. Der MSCI
Europa hatte am Vorabend der globalen Finanzkrise in 2007 ein
KGV von 13,5.
So ist das Fazit des Experten: „Aus den Erfahrungen der Japankrise
lassen sich aus Investorensicht für die zukünftige Entwicklung europäischer
Aktien keinerlei Schlüsse ziehen, da die Ausgangslage vor
der Krise hinsichtlich Bewertung nicht zu vergleichen ist.“
25 BÖRSE am Sonntag · 48/19
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Unterdurchschnittliches Wachstum, fallende Inflationsraten, ein Feuerwerk an geldpolitischen Maßnahmen
und eine auf Jahre hinaus zementierte Negativzinspolitik. Dazu die Forderung der EZB nach höheren Staatsausgaben.
Wird Europa zum neuen Japan?
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