LUDWIG-ERHARD-GIPFEL AKTIEN & MÄRKTE FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE
Künstlichen Intelligenz und zwar bald, wenn wir den Anschluss
an die amerikanischen und chinesischen Unternehmen
nicht endgültig verlieren wollen.
15 BÖRSE am Sonntag · 03/20
Das heißt nicht, dass nun gleich alles europäisch werden
muss. Die deutsche Wirtschaft verfügt über Unternehmensgrößen
und branchenvorteile, die wir nutzen und nicht
aufgeben wollen. Die Welt beneidet uns um den deutschen
Mittelstand, die eigentümergeführten Unternehmen in ihrer
ganzen Vielfalt. Die Welt beneidet uns um unsere berufliche
Bildung, die überwiegend von den Unternehmen
verantwortet wird, gibt uns geradezu singuläre Vorteile auf
der Welt, denen wir beachtliche Teile unseres Wohlstands
verdanken, und die wir deshalb auch in Zukunft brauchen.
Aber es ist wiederum nicht die Aufgabe des Staates, diese
Strukturen zu definieren. Er muss aber die Voraussetzungen
dafür schaffen, dass die Unternehmen in Deutschland auch
in Zukunft erfolgreich sein können. Deshalb sind die hohe
Steuerlast, die hohe Abgabenlast bei den Sozialversicherungsbeiträgen
und nicht zuletzt die hohen Energiekosten
der Unternehmen und der privaten Haushalte in Deutschland
massive Wachstumsbremsen für weitere Investitionen
und für den Konsum. Wenn das zu ändern in der gegenwärtigen
Regierungskoalition in Berlin nicht möglich sein
sollte, dann muss dies nach der nächsten Bundestagswahl
schnell auf die politische Tagesordnung gesetzt werden. Wir
müssen maximal-invasiv in unsere Bürokratiestrukturen
eingreifen.
Aber Wirtschaft und Wohlstand sind nicht alles. Unser
Land steht nicht nur ökonomisch unter Druck. Das kennen
wir nicht anders, damit können wir seit Jahrzehnten
ganz gut umgehen. Neu ist, dass die gesellschaftspolitischen
Konflikte, in der Einwanderungspolitik etwa, aber auch in
der Umweltpolitik und in vielen anderen Bereichen, in einer
Schärfe und in einer Kompromisslosigkeit ausgetragen werden,
die die politische Lösungen immer schwerer machen
und damit das Wertvollste, was eine Demokratie zu bieten
hat, nämlich die Fähigkeit zum Kompromiss, die Fähigkeit,
etwas in Frage zu stellen. Ich habe großes Verständnis für
die Koalition, die Sebastian Kurz in Österreich getroffen
hat.
Es gibt Themen, die bekommt der eine ganz und die bekommt
der andere ganz. Themen, die jeder einzelne
Koalitionspartner ganz verwirklichen kann. Das müsste in
Deutschland auch möglich sein. Sie haben außerdem koalitionsfreie
Räume eröffnet. Wir brauchen mehr Kompromisse
in unseren Parlamenten. Und das geht nur, wenn eine
Regierung vorher nicht alles festgelegt hat.
Und deshalb, lassen Sie mich abschließend sagen, müssen
wir uns bei allen Themen und Problemen des Alltags...
… darüber Gewissheit verschaffen, dass eine offene, freiheitliche,
liberale und tolerante Gesellschaft wie die unsere
nicht selbstverständlich ist. Sie lebt, um das Wort eines früheren
Verfassungsrichters erneut zu bemühen, von Voraussetzungen,
die sie selbst nicht schaffen kann. Wir können
diese Voraussetzungen aber verteidigen, nach innen und
nach außen. Es gibt auf der Welt Handelspartner wie die
Volksrepublik China und Russland, aber wir teilen mit diesen
Ländern ganz offensichtlich nicht unsere Vorstellungen
von Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit und
allen übrigen Bürgerrechten.
Darin sollten wir aber mit den Ländern der Europäischen
Union übereinstimmen, und diese auf Montesqieu zurückgehenden
Grundlagen unserer Verfassungen teilen wir –
nicht wegen Trump, sondern trotz Trump – unverändert
und immer noch mit den Vereinigten Staaten von Amerika.
„Bündnisverteidigung“ wie es in der Sprache der NATO
heißt, ist deshalb nicht zuerst Territorialverteidigung, sondern
die Verteidigung unserer Werte und unserer Freiheit.
Und darüber müssen wir uns Gewissheit verschaffen. Damit
meine ich nicht nur diejenigen, die in der Politik Verantwortung
tragen, sondern uns alle: Sie auch! Ich beobachte
mit Sorge, dass die politischen Parteien Mitglieder verlieren.
Da sind die Parteien nicht schuld dran. Ich möchte die Gelegenheit
nutzen, Sie darauf aufmerksam zu machen: Auch
Sie müssen sich wieder stärker gesellschaftlich und in den
politischen Parteien dieses Landes engagieren. Nur dann
sind die Probleme unseres Landes lösbar.
Wenn wir uns an diese Maßstäbe halten, wenn wir in der
digitalen Welt offen sind für neues, aber auch die Regeln der
analogen Welt dort nicht außer Kraft setzen, wo sie sich bewährt
haben, dann können wir zuversichtlich in das nächste
Jahrzehnt schauen, an dessen Anfang wir heute stehen. Wir
können 2030 zurückblicken und sagen: Wir haben verstanden,
was in dieser Zeit passiert ist.