Foto © Harald Kaster. - BioNTech
AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART
19 BÖRSE am Sonntag · 05/20
Verwässerungseffekt
Positive Studienergebnisse könnten für
Kurssprünge sorgen. Schlechte Nachrichten
dürften dagegen das Gegenteil
bewirken. Wer an die langfristigen Perspektiven
glaubt, dem dürfen volatile
Kursbewegungen daher nichts ausmachen.
Gleichzeitig sollte man sich auf
einen anhaltenden Verwässerungseffekt
einstellen. BioNTech hat mit dem Börsengang
zwar frisches Kapital von netto
rund 135 Mio. Euro eingenommen.
Diese Summe reicht aber gerade einmal
aus, um den negativen operativen Cashflow
zu decken, der in den ersten neun
Monaten 2019 angefallen war. Zwar
waren Ende September flüssige Mittel
von mehr als 460 Mio. Euro vorhanden,
sodass zuzüglich der IPO-Erlöse erst
einmal eine solide finanzielle Basis vorhanden
ist. Anhaltend hohe Ausgaben
für Forschung und Entwicklung und der
Ausbau des Geschäfts (z. B. Produktionskapazitäten)
dürften aber weiterhin
viel Geld verschlingen. Zuletzt hat BioNTech
außerdem die Übernahme des
US-Krebsspezialisten Neon Therapeutics
für 67 Mio. US-Dollar angekündigt. Damit gehören auch Akquisitionen
zur Strategie.
Sportliche Bewertung
Nach dem erfolgreichen Börsengang könnten daher künftig weitere
Aktien bei Investoren platziert werden. Das verwässert die
künftigen eventuellen Gewinne, weil sie auf immer mehr Aktien
aufgeteilt werden müssen. Das ist vor allem für die Bewertung relevant.
Schon vor dem IPO war der Aktienbestand mit 216 Millionen
sehr ordentlich. Beim Börsengang kamen mehr als 10 Millionen
neue Aktien hinzu. Bei einem fiktiven Nettogewinn von 100
Mio. Euro lässt sich darauf ein sehr sportliches KGV von rund 83
ableiten. Und dieser Profit muss erst mal verdient werden. Günstig
ist also anders. Zum Vergleich, auch wenn er etwas hinkt: Der
etablierte Biotech-Pionier Biogen kommt aktuell auf ein KGV von
15. Er hat in den ersten neun Monaten 2019 bei Umsätzen von
10,7 Mrd. US-Dollar ein Nettoprofit von 4,45 Mrd. US-Dollar
sowie einen operativen Cashflow von 5,1 Mrd. US-Dollar erwirtschaftet.
Es hat allerdings Jahrzehnte gedauert, bis sich dieser monetäre
Erfolg eingestellt hat. Zwischendurch gab es immer wieder
satte Kurseinbrüche von teils mehr als 90 %. Natürlich muss das
keine Blaupause für BioNTech sein. Eines steht aber fest: Im aktuellen
Aktienkurs sind bereits sehr hohe Erwartungen eingepreist.
Das birgt enormes Rückschlagpotenzial. Der neue Börsenstar aus
Mainz muss daher nun liefern. Sonst könnten sich die stark überzogen
anmutenden Hoffnungen schnell wieder in Luft auflösen.
Thomas Behnke