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Exklusivinterview
„Der Aufschwung
könnte recht stark ausfallen“
"Wir gehen derzeit davon aus, dass in der zweiten Jahreshälfte ein Aufschwung einsetzen wird.“ Das sagt
der Top-Ökonom Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft, im exklusiven Interview mit
der BÖRSE am Sonntag. Die Verbraucher dürften einen Teil ihrer Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen
nachholen. Allerdings stehe noch eine schwere Krisenphase davor. Die Zahl der Arbeitslosen werde in
Deutschland alsbald um 450.000 über dem Vorquartal liegen, Die deutsche Kurzarbeit sei allerdings eine
große Hilfe in dieser Lage.
Herr Felbermayr, Binnen drei
Wochen haben in den USA mehr
als 16 Millionen Menschen ihren
Job verloren. Wie viele Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer
könnte es hierzulande treffen und
welche Branchen sind besonders
stark betroffen?
In Deutschland haben wir eine andere Situation
dank der Kurzarbeiterregeln und
anderer Vereinbarungen etwa zu Arbeitszeitkonten.
Dennoch dürften deutliche
Arbeitsmarkteffekte im zweiten Quartal
in Deutschland sichtbar werden. Die Zahl
der Erwerbslosen wird schätzungsweise
um 450.000 über dem Vorquartal liegen,
das noch kaum Corona-Effekte aufzeigte.
Besonders betroffen sind dabei die geringfügig
Beschäftigten sowie die Selbstständigen,
da diese Gruppen überdurchschnittlich
häufig in den besonders betroffenen
Wirtschaftsbereichen vertreten sind, also
etwa in den personennahen Dienstleistungsbetrieben.
Aufs Jahr gerechnet dürfte
die Arbeitslosenquote auf 5,5 Prozent
ansteigen verglichen mit 5,0 Prozent im
Vorjahr. Allerdings sind alle diese Prognosen mit großer Unsicherheit
behaftet und vom weiteren Verlauf der Pandemie und dem
Fortbestehen der Auflagen für die Wirtschaft abhängig.
In Deutschland haben schon 650.000 Firmen Kurzarbeit
angemeldet. Grundsätzlich ist die Bezugsdauer
auf zwölf Monate begrenzt und kann durch den Gesetzgeber
auf bis zu 24 Monate ausgeweitet werden.
Wie wahrscheinlich ist eine Verlängerung zum
jetzigen Zeitpunkt?
Das kann niemand seriös sagen, weil wir zunächst sehen müssen,
wie sich die Seuchenschutz-Auflagen in den kommenden
Wochen verändern. Für den Moment sind die 12 Monate erst
einmal ausreichend und geben allen Seiten Planungssicherheit.
Es ist nachvollziehbar, dass die Politik vor weiteren Entscheidungen
10 BÖRSE am Sonntag · 17/20
erst einmal die Entwicklung der Lage abwartet.
Eventuell könnte man in jenen Firmen, die schon vor der Krise
Kurzarbeit angemeldet haben, die Uhr mit dem Einstieg in den
Shutdown auf Null stellen.
Rettet Kurzarbeit tatsächlich Jobs, oder verschiebt
sie aktuelle Probleme lediglich nach hinten?
Sie rettet Jobs, aber nicht alle. Das Instrument kann grundsätzlich
sehr effektiv sein, wie sich das ja auch schon in der
großen Rezession nach der Finanzkrise gezeigt hat. Weil seit
der Krise die Arbeitnehmer keine Sozialversicherungsabgaben