ROHSTOFFE LEBENSART AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN TRADING FONDS ZERTIFIKATE
sein. Vor allem aber müssen Anleger endlich begreifen, dass nicht
überall wo Öl drauf steht auch Öl drin ist. Denn die Leute kaufen
kein Öl zu fünf oder zehn Dollar, sondern ein Derivat, das sich
eine gewisse Zeit mit dem Ölpreis bewegt, jedoch spätestens zur
Fälligkeit wieder ausgetauscht wird, meist völlig automatisch. Auf
dem Kurszettel ändert sich dabei nichts, auch wenn der Kassakurs
für Öl dann einen Tag später bei 20 Dollar steht. Denn den Future,
der jetzt dem Zertifikat oder dem ETF zugrunde liegt, hat
49 BÖRSE am Sonntag · 17/20
dieser bereits zu 20 Dollar gekauft.
Das müssen Sie noch genauer erklären.
Die meisten Privatanleger verstehen nicht, dass sie kein physisches
Öl kaufen, sondern ihr Anlageprodukt im Hintergrund
immer wieder die Futures austauschen muss, weil diese jeden
Monat auslaufen. Kurz vor dem Verfall eines Terminkontrakts
wird dieser also verkauft. Im Gegenzug werden für den Erlös
Futures gekauft mit einer Fälligkeit weiter in der Zukunft. Am
Preis für den Kunden ändert sich nichts. Ein Beispiel: Sie wollen
1.000 Euro investieren. Die Zertifikate kosten zehn Euro, also
kaufen Sie einhundert Stück. Der Ölpreis liegt ebenfalls bei zehn
Euro. Dann geht es auf das Laufzeitende zu und das Zertifikat
muss gerollt werden, weil der Future ausläuft. Also wird Öl für
zehn Euro verkauft und der Erlös von 1.000 Euro in die nächsten
Terminkontrakte investiert. Kostet ein Barrel Öl mit der Lieferung
einen Monat später 20 Euro pro Barrel, bekommt man also
nur 50 Stück eingebucht. Für den Anleger ändert sich nichts, er
hat weiterhin 100 Zertifikate zu zehn Euro. Nur liegen denen
jetzt nur noch 50 Barrel Öl zu 20 Euro zugrunde, also sinkt seine
Partizipation an steigenden Preisen in der Zukunft. In der Vergangenheit
hatte man ausreichend Lagerbestände und deshalb
notierten die Terminkontrakte mit unterschiedlichen Fälligkeiten
nah bei einander. Die Anleger haben also den Rolleffekt gar
nicht mitbekommen. Jetzt sind aber zwischen unterschiedlichen
Lieferterminen gigantische Preisunterschiede, man muss immer
mehr für eine Lieferung in der Zukunft bezahlen.
Wann könnte eine zumindest halbwegs stabile
Preiserholung einsetzen?
Schon im zweiten Halbjahr, wenn die Konjunkturerholung
einsetzt. Für den Moment sind die Preise im Niemandsland.
Es bestehen zu viele Unwägbarkeiten, zu viele Sorgen, zu viele
Preisturbulenzen. Man braucht natürlich eine entscheidende
Reaktion der Produzenten. Vor allem muss man eine gewisse
Sicherheit haben, dass es nach der Öffnung der Wirtschaft
nicht zu einem erneuten Shutdown kommt. Das wäre für alle
Märkte ein Super-Gau. Das Gespräch führte Oliver Götz
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