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Wie schlecht steht es um Deutschlands
Autokonzerne wirklich?
In China ziehen die Autoverkäufe seit Wochen an. In Wuhan, dem einstigen Epizentrum der Coronakrise,
sprechen Händler inzwischen von einem regelrechten Boom. Volkswagen will bereits im Juni das Vorjahresniveau
erreichen und produziert bereits in 32 von 33 Werken. Malen Anleger die Zukunft der deutschen
Ende April, bevor Elon Musk die Aktie seines eigenen Unternehmens
ins Minus twitterte, war Tesla an der Börse mehr
wert als die drei großen deutschen Automobilkonzerne, BMW,
Daimler und Volkswagen zusammen. Inzwischen reicht es nicht
mehr ganz. Tesla bringt umgerechnet 126 Milliarden Euro auf
die Börsenwaage, BMW 33, Daimler 32 und Volkswagen 65
Milliarden. Es fehlen also wieder ein paar Milliarden, fünf um
genau zu sein. Doch ein kleiner Kursrutsch hier und ein paar
Prozent Plus dort reichen, und Tesla überrollt das deutsche Triumvirat
erneut. Ob nun Überbewertung oder nicht, der Fall
zeigt: An der Börse sind die Sympathien derzeit klar verteilt.
Die Tesla-Aktie hat auf Jahressicht über 200 Prozent an Wert
zugelegt. Die Papiere von Daimler, BMW und Volkswagen haben
im gleichen Zeitraum 50, 30 und 20 Prozent verloren. Und
18 BÖRSE am Sonntag · 19/20
die Ausgangsniveaus waren nicht hoch.
Es versteht sich von selbst, dass vielen Anlegern da allmählich der
Geduldsfaden reist. Gerade, da es diesen im Zuge der Corona-
Pandemie wohl ohnehin nicht an überstrapazierten Nerven mangelt.
Der ifo-Index zum aktuellen Geschäft des Sektors stürzte
im April auf minus 85,4 Punkte – der tiefste Wert seit Beginn
der Erhebung. „Wir haben noch nie so schlechte Zahlen für diese
Schlüsselbranche ermittelt“, sagte der Leiter der ifo-Befragungen,
Klaus Wohlrabe. Die Berichtsaison brachte auch keine Ruhe. Im
Gegenteil: Zahlen und Prognosen bestätigten die sorgenvollen
Mienen bloß.
Volkswagen verliert zwei Milliarden Euro an
Liquidität – pro Woche
Bei Volkswagen sank der Umsatz im ersten Quartal auf 55 Milliarden
Euro, das operative Ergebnis schrumpfte von 3,9 Milliarden
Euro im Vergleichszeitraum des Vorjahres auf 900 Millionen
Euro zusammen, was allerdings auch mit negativen Rohstoffeffekten
und den chaotischen Zuständen am Kapitalmarkt zu tun
hatte. Dennoch: Die Prognose für das Gesamtjahr lässt sich nicht
mehr halten, auch da die Wolfsburger für das zweite Quartal
das ganz große Gewitter erst noch vor sich sehen und operativ
mit roten Zahlen rechnen. Vorstandsvorsitzender Herbert Diess
warnte bereits, dass sein Konzern im Shutdown rund zwei Milliarden
Euro an Liquidität verliert – pro Woche.
Auch bei Daimler sprechen die Zahlen Bände. In den ersten drei
Monaten des laufenden Jahres ging das Ergebnis vor Zinsen und
Steuern auf 617 Millionen Euro zurück. Ein Minus von 80 Prozent
gegenüber dem Vorjahr. Für das zweite Quartal rechnen auch die
Stuttgarter mit Verlusten. BMW kommt da auf den ersten Blick
Autoindustrie an der Börse zu düster?