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Wirecard: Nach Kurssturz ein
spekulatives Schnäppchen?
Der Zahlungsdienstleister Wirecard gehört zu den wenigen Gewinnern der Krise. Dabei profitiert das Unternehmen
aus Aschheim bei München vom Trend zum bargeldlosen Bezahlen. Trotzdem leidet der Konzern jetzt
akut unter einer kommunikativen Vertrauenskrise. Eine Kaufgelegenheit?
Die Personalie könnte ein Befreiungsschlag werden. Hauke Stars wird
neue Aufsichtsrätin bei Wirecard. Die 52-jährige ist ein Reputations-
Star der deutschen Finanzbranche und soll Wirecard aus einer akuten
Vertrauenskrise helfen. Seit 2012 gehört die IT-Spezialisten dem Konzernvorstand
der Deutschen Börse an. Dort leitet sie den Geschäftsbereich,
zu dem Börsengänge, der Aktienhandel und die Startup-
Förderung gehören. Zudem sitzt Stars im Aufsichtsrat von Fresenius
und Kühne + Nagel. Sie gilt als zupackend, bestens vernetzt und ein
Ausbund an Integrität wie Glaubwürdigkeit. Genau das, was Wirecard
inmitten der akuten Turbulenzen dringend braucht.
Wirecard-Sonderprüfbericht ließ Aktie abstürzen
Zuletzt hatte das Debakel um einen Sonderprüfbericht von
KPMG die Anleger scharenweise aus der Aktie getrieben. Angesichts
der undurchsichtigen Datenlage und Transparenzmängel bei
Wirecard konnte KPMG den Konzern nicht - wie gewünscht -
entlasten. Also kursieren die Vorwürfe möglicher Manipulationen
weiter. Binnen weniger Stunden sackte der Dax-Titel um mehr als
30 Prozent ab. Hedgefondmanager wie Christopher Hohn erheben
schwere Vorwürfe gegen den deutschen Finanzkonzern und wetten
auf einen weiteren Kursverfall. Auch andere Shortseller sind hochaktiv
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und wollen den Kurs weiter drücken.
Dabei hat KPMG gar nichts Dubioses entdeckt, sondern nur die
fehlend genaue Dokumentationslage kritisiert. Belastende Belege
für die öffentlich erhobenen Vorwürfen der Bilanzmanipulation
wurden nicht gefunden. Der Wirecard-Vorstand resümiert sogar
erfreut: „In allen vier Prüfbereichen - den Geschäftsbereichen
Dritt-Partnergeschäft (Third Party Aquiring / TPA) und Merchant
Cash Advance (MCA) / Digital Lending sowie bei den Geschäftstätigkeiten
in Indien und Singapur – haben sich keine substanziellen
Feststellungen ergeben, die für die Jahresabschlüsse im
Untersuchungszeitraum 2016, 2017 und 2018 zu Korrekturbedarf
geführt hätten.“ Doch der öffentliche Eindruck, dass die Asiengeschäfte
allzu intransparent gelaufen seien, sorgt an der Börse für
serienweise Verkäufe.
Mehr eine Kommunikations- und Vertrauenskrise
als ein tatsächliches Bilanzproblem
Konzern-Insider berichten, dass Wirecard mehr eine Kommunikations
und Vertrauenskrise habe als ein tatsächliches Bilanzproblem.
Genau dieses Defizit soll der Aufsichtsrat mit Hauke Stars nun beheben.
Denn Stars weiß aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung bei der
Deutschen Börse, wie man an der Börse Integrität zurückgewinnt.
Spekulative Investoren sehen in der akuten Kommunikationskrise
eine perfekte Kaufgelegenheit. Es sei durch schiere Ungeschicklichkeit
eine Unterbewertung entstanden. Denn wichtiger
als das teilweise amateurhafte Kommunikationsverhalten bei Wirecard
seien die Geschäfte. Und die laufen tatsächlich gut. Trotz
der Coronakrise hält Wirecard als einer der wenigen Konzerne in
Europa an seiner Jahresprognose – erwartet wird ein EBITDA
von 1,0 bis 1,12 Milliarden Euro – für das Geschäftsjahr 2020
weiterhin fest.