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Über dem Immobilienmarkt
ziehen Wolken auf
Der Wert von Einzelhandelsimmobilien bricht ein. Der Anstieg der Preise anderer Wohnungen und Häuser
verlangsamt sich. In den Top-Lagen Deutschlands stagnieren die Mietpreise auf hohem Niveau.
Was für Mieter eine gute Nachricht sein kann, sorgt bei Hausbesitzern
für Enttäuschung: Der Anstieg bei den Immobilienpriesen erhält
langsam, aber sicher einen Dämpfer. Die Pandemie, die zu einem
Konjunktureinbruch geführt hat, hinterlässt ihre Spuren auf dem Immobilienmarkt.
Wäre die Immobilienpreis-Entwicklung eine Wettervorhersage,
müsste es heißen: Die Aussichten verschlechtern sich von
heiter in Richtung bewölkt. Dies ist jedenfalls der Tenor des jüngst
erschienenen Immobilienpreisindexes, den der Verband deutscher
Pfandbriefbanken (vdp) vierteljährlich veröffentlicht und den auch
andere Branchenexperten stützen.
Ein tieferer Blick in die Übersichten, die der Verband auf der Basis tatsächlicher
Käufe und Verkäufe zusammenstellt, ergibt ein gemischtes
Bild: Einzelhandelsimmobilien haben zum ersten Mal seit langem einen
Einbruch erlebt. Hier sinken die Preise gegenüber dem Vorjahresquartal
um 1,3 Prozent. Der Sinkflug hat sich seit dem vergangenen
Quartal beschleunigt und bildet damit die steigende Zahl drohender
Pleiten im Einzelhandel ab. Geschäfte, die mangels Umsatz schließen
müssen, verschwinden und werden nur mühsam durch andere ersetzt.
Die Entwicklung bedroht die Gläubiger dieser Pleite-Kandidaten.
Häufig sind es kleinere Banken, wie Sparkassen oder Volksbanken, die
dann vor der Frage stehen, wie sie die Immobilie, mit der ein Kredit
besichert war, verwerten sollen.
Am besten läuft der Markt noch für Wohnimmobilien. Hier liegt die
Wertsteigerung im zweiten Quartal dieses Jahres durchschnittlich bei
sechs Prozent. Die Preise für Gewerbeimmobilien wie Büros stiegen
um knapp vier Prozent. Allerdings sind beide Werte deutlich unter
den Höchstmarken und unter dem, was der Verband im vergangenen
Jahr errechnet hatte. „Die Aufwärtsentwicklung der Preise für
Wohn- und Gewerbeimmobilien hält zwar weiterhin an“, erklärt Jens
Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des vdp. „Allerdings setzt sich auch
die bereits seit einigen Quartalen nachlassende Dynamik fort.“ Ein
massiver Einbruch sei nicht in Sicht, ergänzt der Experte, aber ganz
offenbar hat der Immobilienmarkt seinen Höhepunkt überschritten.
Interessant ist, dass sich der bisherige Trend, der für Großstädte eine
stärkere Dynamik nach oben ausgewiesen hatte, umgekehrt hat: In
den Top-7-Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln,
München und Stuttgart versteuerten sich die Preise für Wohnimmobilien
deutlich geringer als im gesamten Bundesgebiet. Hierzu trug
bei, dass neue Mietverträge mit Steigerungen von 1,6 Prozent nicht
wesentlich teurer ausgefallen sind als im vergangenen Jahr.
Neben dem Pfandbriefbanken beobachten Banken, Makler, Immobilienfinanzierer
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und Fondsanbieter die Marktentwicklung. Eine Auswirkung
der Krise spüren sie unmittelbar in ihren Bilanzen. Bisher
herrscht beim überwiegenden Teil dieser Experten wachsame Ruhe.
Das Institut der deutschen Wirtschaft etwa ist der Meinung: „Sicherlich
wird die Unsicherheit auch in Deutschland dazu führen, dass einige
Eigentümer nun verkaufen möchten, andere sind aufgrund der
Unsicherheiten bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung zögerlich,
Immobilien zu kaufen.“ Die Immobilienberater von Savills glauben,
dass Corona „zweifellos auch an den deutschen Immobilienmärkten
seine Spuren hinterlässt. Erste Auswirkungen können wir bereits beobachten,
etwa in Form verschobener Transaktionen.“ Und bei einer
Umfrage der Wirtschaftsprüfer von PWC kam heraus, dass 54
Prozent der Befragten einen negativen oder stark negativen Einfluss
der Pandemie auf die Immobilienbranche erwarten. 76 Prozent der
Befragten befürchten für das laufende Jahr Umsatzeinbußen für das
Immobilien-Unternehmen in dem sie arbeiten und 84 Prozent halten
Bauverzögerungen für wahrscheinlich. oli