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Südlich von Tokio entsteht der größte humanoide Roboter der Welt. Der Hersteller unternimmt gerade
die ersten Geschicklichkeitstest mit ihm.
Wäre alles nach Plan verlaufen, dann würde die Welt in
diesen Tagen nach Japan schauen: um zu sehen wie die
Läufer laufen, die Springer springen und die Werfer werfen.
Eigentlich wäre Olympiade, doch Corona hat einen
Strich durch diese Pläne gemacht. Die Regierung hat
olympischen Spiele um ein Jahr verschoben und eine Umfrage
in der vergangenen Woche machte deutlich: eine
Mehrheit der Menschen im Land will gar keine Olympiade
mehr. Ihnen ist die Lust vergangen.
In dieser Phase der Depression ist den Japanern Abwechslung
willkommen, weswegen viele auf den Hafen von
Yokohama schauen. Dort, südlich von Tokio, vollzieht
sich etwas, das die Stimmung heben könnte: Gundam
Factory Yokohama heißt das Unternehmen, das dort auf
einer fußballfeldgroßen Plattform im Wasser den größte
humanoiden Roboter der Welt zum Leben erwecken will.
Sein Name: Gundam. Wem das nichts sagt, an dem sind
die rund 50 Fernsehserien und Filme, Videospiele und
Mangas – eine Form von japanischen Comics - unbemerkt
vorbeigezogen, in denen ein Gundam die Welt xmal
gerettet hat. In diesen Filmen sind Gundams stets
menschengesteuerte Kampfmaschinen, die einem Roboter
von den Ausmaßen eines King Kongs ähneln. Der Pilot
sitzt dabei im Kopf der Maschine und schreitet mit ihr
durch wilde Schlachten.
Der Roboter wiegt 25 Tonnen
Knapp 20 Meter hoch wird der Roboter in Yokohama in
die Luft ragen. Bis auf den Kopf sind bereits alle teile montiert.
Rumpf, Arme, Beine sind bereits zu sehen und die
Entwickler haben einen Film ins Netz gestellt, der zeigt,
wie Gundam eines seiner tonnenschweren Beine nach
vorne schwingt als wäre er Tanzlegende Fred Astaire. In
Tokio selbst gibt es bereits eine Gundam-Statue, 30 Meter
hoch und beim Publikum so beliebt, dass sich die Konstrukteure
im Jahr 2017 dachten, dass eine bewegliche
Maschine noch mehr Publikum anziehen müsste. Seither
wird geplant und gebaut.
Die technischen Herausforderungen sind allerdings nicht
ohne: Der gesamte Roboter wiegt 25 Tonnen, allein eine
Hand misst mit 2 Metern mehr als die meisten ausgewachsenen
44 BÖRSE am Sonntag · 40/20
Menschen. Jun Narita, Leiter Design bei Gundam
Factory hat ausgerechnet, dass die Hand dennoch nicht
mehr als 200 Kilogramm wiegen dürfe, da ansonsten die
Ellenbogen brechen. „Diese Gewichtsbeschränkung ist ein
Fluch", klagt er. Am Ende reduzierte Narita die Anzahl
der in den Händen verwendeten Motoren und beschloss,
den Rahmen für die Hände aus Aluminium, anstatt aus
Stahl zu bauen. Die Hände können sich jetzt bewegen und
neben einer Faust sogar das Friedenszeichen bilden.
Kopfloser Humanoid für Touristen
Die Macher von Gundam Factory planten noch diesen
Monat eine exklusive Preview: Der kopflose Roboter
sollte live ein paar Schritte unternehmen – allerdings
machte Corona auch diesem Happening einen Strich
durch die Rechnung, weswegen nun nur ein Video zu
sehen ist. Auch die Welt-Premiere im Oktober wurde auf
nächstes Jahr verschoben.
Wenn es soweit ist, wollen die Erbauer zweierlei erreichen:
Die Software, die Gundam steuert, basiert auf öffentlich
zugänglichen Quellcodes. Es gibt ein Gundam Lab, wo
bereits fleißig an humanoiden Robotern geforscht wird.
Aber es gibt eben auch den Hafen von Yokohama, eine neu
errichtete Shopping-Mall auf dem Weg zur schwimmenden
Gundam-Plattform und feste Vorführungszeiten, zu
denen sich Tickets buchen lassen. Das ganze soll vor allem
eine Touristenattraktion werden. Und wer die Technik vernarrten
Japaner kennt, weiß, dass das zumindest auf dem
einheimischen Tourismusmarkt gut funktionieren kann.
Oliver Stock
Laufen
kann er schon