Wenn es eine Rally gibt, würde die also am ehestens
von den Krisenverlierern ausgehen, zu denen ja in
der Hauptsache Value-Werte zählten?
Das Marktgeschehen war zuletzt von der Hoffnung auf das „Re-
Opening“ geprägt, was den positiven Nachrichten um die potenziellen
Impfstoffe geschuldet war. In den vergangenen Wochen
hatten die Value-Werte die Nase vorn. Derzeit spricht einiges
dafür, dass zumindest auf kurze Sicht die Aktien aus dem Lager
der Krisenverlierer weitergesucht werden.
Ist die Umschichtung von Tech- hin zu Valueaktien
eine kurzfristige Anpassungsreaktion an die positiven
Impstoff-Nachrichten oder könnte daraus ein
länger anhaltender Trend werden?
Ob daraus ein länger anhaltender Trend wird, hängt von verschiedenen
Faktoren ab. In einem Umfeld überschaubaren
Wachstums sehnten sich die Anleger in den vergangenen Jahren
nach Titeln mit Wachstumsperspektive – Unternehmen aus
Branchen wie Technologie, Pharma, aber auch defensiver Konsum
waren stark gefragt, Value Titel wie Energieunternehmen
oder Banken hatten das Nachsehen. Aktuell kommen jedoch
einige Faktoren zusammen, die für Value bzw. Zyklik sprechen:
wieder anziehendes Wirtschaftswachstum, gepaart mit steigenden
Unternehmensgewinnen, eine deutliche Untergewichtung
von Value Titeln in den Portfolien der Investoren und natürlich
eine deutlich günstigere Bewertung. Dass die Phasen der Outperformance
29 BÖRSE am Sonntag · 50/20
von Value in der jüngeren Vergangenheit nur von
kurzer Dauer waren, war unter anderem dem niedrigen Zinsniveau
geschuldet. Sollten die Zinsen – einhergehend mit einer
verbesserten Konjunkturlage – doch mal wieder steigen, könnte
dies die Value-Rally deutlich unterstützen.
Blickt die Börse aktuell zu positiv auf die Pandemie?
Grundsätzlich schaut die Börse stets nach vorne und im Moment
wird eine baldige Erholung der Unternehmensergebnisse
eingepreist. Man sollte auch das Strukur-Argument nicht außer
Acht lassen: Der amerikanische S&P 500 beispielsweise besteht
zu über 50 Prozent aus Unternehmen, die den Bereichen Info-
Tech, Kommunikationsdienste und Gesundheitswesen angehören
– also Branchen, deren Unternehmen zu den sogenannten
Krisengewinnern gehören oder die Krise zumindest sehr gut
gemeistert haben. Die besonders negativ von der Pandemie betroffenen
Branchen haben letztlich nicht das große Gewicht und
daher nur einen begrenzten Einfluss auf Indexebene. Dies erklärt
Foto © picture alliance / SZ Photo | Jürgen Heinrich
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Felix Meynen – Deutsche Oppenheim