AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART
die sehr gute Entwicklung des amerikanischen Aktienmarkts im
Vergleich zu anderen, strukturell anders aufgestellten Indizes.
Auch wenn ein Corona-Impfstoff nun greifbar
scheint, vor Rückschlägen ist man nicht gefeit. Wie
groß ist die Gefahr eines „Enttäuschungscrashs“?
Es kann im Zusammenhang mit dem Impfstoff durchaus zu
Enttäuschungen kommen. Wenngleich die Daten zu Wirksamkeit
und Sicherheitsprofil bis jetzt ermutigend waren, fällt
es dennoch schwer, eine finale Einschätzung zu treffen. Denn
hinsichtlich der Dauer der Immunität, längerfristiger Nebenwirkungen,
Verteilung, Transport, oder auch der Impfbereitschaft
gibt es noch einige Fragezeichen. Insofern wird uns ein
gewisses Volatilitätsniveau wohl erhalten bleiben, was ja auch
Chancen bietet.
Die Bewertungen vieler Aktien scheinen immens.
Wir haben zuletzt eine Ausweitung der Multiples beobachtet.
Im nächsten Schritt sollten die Unternehmen liefern und diese
Vorschusslorbeeren über steigende Gewinne bestätigen.
Welche Risiken sehen Sie?
Sollte sich das Infektionsgeschehen weiter ausbreiten und/oder
die von Ihnen genannten Rückschläge rund um den Impfstoff
auftreten, besteht die Gefahr einer Verzögerung der wirtschaftlichen
Erholung; in diesem Fall könnte das Sentiment schnell
kippen. Ein weiteres Risiko besteht in der zunehmenden weltweiten
Verschuldung, die durch die Pandemie nochmal deutlich
verschärft wurde.
Wie können sich Anleger absichern?
Ein breit diversifiziertes Portfolio ist hier sicher ein guter Ratgeber.
Als Absicherung verlieren Staatsanleihen im Niedrigzinsumfeld
zunehmend an Bedeutung, während Gold eine größere
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Rolle spielt.
Kommt jetzt die Zeit für konservative
Dividendentitel?
Dividendentitel hatten es in der jüngeren Vergangenheit zum
Teil schwer. Denken Sie beispielsweise an Banken oder an
Energieunternehmen. Über das Potenzial von Value Aktien
hatten wir bereits gesprochen. Grundsätzlich wird das Thema
dividendenstarke Aktien weiterhin für viele Investoren, die auf
Ausschüttungen angewiesen sind, beispielsweise für Stiftungen,
eine wichtige Rolle spielen.
Bleibt Gold als Allzweckwaffe?
Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass der Goldpreis nicht
nur eine Richtung kennt. Gerade in ausgeprägten „Risk on“-Phasen
leiden solche als sichere Häfen geltenden Anlagen. Dennoch
spielt Gold im Gesamtportfoliokontext eine wichtige Rolle.
Sollten sich Anleger eher außerhalb Europas
umsehen?
Europäische Aktien haben US-amerikanische Aktien seit Jahren
underperformt. Zuletzt wurde von einigen Strategen die Renaissance
von Europa ausgerufen. In der Tat spricht derzeit Vieles
für europäische Aktien. Grundsätzlich geht jedoch in einem ausgewogen
aufgestellten Portfolio kein Weg an US-Titeln vorbei.
Gleiches gilt übrigens für Aktien aus den Emerging Markets. Wir
haben in unseren Portfolien zuletzt den Anteil insbesondere an
asiatischen Schwellenländern erhöht. Das zuletzt geschlossene
asiatische Freihandelsabkommen RCEP unterstreicht die Ambitionen
und die Bedeutung der Region.
In welchen Branchen sehen Sie kurzfristig das
meiste Potenzial?
Wie bereits besprochen kann sich die Style-Rotation von Growth
zu Value beziehungsweise Zyklik noch fortsetzen. Unternehmen
aus den Branchen Rohstoffe, Energie, Finanzen sollten dann weiter
performen. Technologieunternehmen, die strukturelle Wachstumsthemen
bedienen, bleiben jedoch weiterhin interessant.
Welche Auswirkungen erwarten Sie sich vom anstehenden
Wechsel im Weißen Haus auf die Märkte?
In Summe sollten aus Kapitalmarktsicht unter einem Präsidenten
Biden die positiven Aspekte überwiegen. Die USA werden als
Partner wieder ein Stück weit berechenbarer, verlässlicher, seriöser.
Dies gilt natürlich insbesondere beim Thema Handelszölle.
Aus Marktsicht negative mögliche Faktoren wie Steuererhöhungen
und wieder zunehmende Regulierung stehen den oben genannten
Aspekten gegenüber. Spannend wird es nochmal Anfang
Januar, wenn sich in Georgia entscheidet, ob der Senat blau oder
rot werden wird.
Wo sehen Sie den DAX Ende des Jahres?
Eine punktgenaue Prognose ist natürlich kaum zu treffen. Basierend
auf unserem positiven Ausblick trauen wir dem DAX
jedoch zu, noch ein paar Punkte zu klettern und das Jahr mit
einer leicht positiven Performance zu schließen.
Die Fragen stellte Oliver Götz