Doch die Corona-Impfstoffe zeigen immerhin,
dass die Methode funktioniert – und, dass die
Biotechnologie die Medizin nicht nur in den
Köpfen von mutigen Pionieren, sondern tatsächlich
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auch in der Praxis revolutionieren kann.
Riesiges Marktpotenzial für
Biotech-Unternehmen
Die mRNA-Methode ist schließlich nur ein
Baustein von vielen, die die Biotechnologie bereithält.
Der Analytik-Firma Evaluate nach,
stecken in zwei Dritteln neu zugelassener Medikamente
inzwischen Innovationen oder mindestens
Erkenntnisse aus der Biotechnologie. „Biotechunternehmen
sind gerade dabei, sich neue
Marktpotenziale zu erschließen. Für weit mehr
als 1.000 eher seltenere Leiden gibt es bislang
keine oder nur wenig wirksame Medikamente“,
sagt Lynxbroker-Experte Wendelin Probst. „Der
zunehmende technologische Fortschritt und die
wachsenden Kapitalströme von Risikokapitalgebern
werden das starke Momentum in der Biotechbranche
auch künftig begünstigen“, blickt
die Investmentfirma BB Biotech in einem Schreiben
voraus. Die Folge sei eine steigende Zahl
klinischer Entwicklungsprojekte, die eine zunehmende
Anzahl an Produktzulassungen nach
sich ziehe. Waren es in den frühen 2000er Jahren
noch 20 bis 30 Zulassungen pro Jahr, habe ihre
Zahl im letzten Jahrzehnt auf 30 bis 50 zugenommen.
„Wir erwarten große Fortschritte bei
vielen Projekten in der klinischen Entwicklung
wie etwa bei der Behandlung von Onkogenen
und onkogenen Mutationen“, erklärt Investmentchef
Daniel Koller.
Wird nur ein kleiner Teil der Gedankenspiele
Realität, nur eine Krankheit wie Diabetes plötzlich
besser behandelbar, steht vielen Biotech-Pionieren
von heute eine goldene Zukunft bevor.
Die Grundtendenz hin zu immer mehr und
höheren Ausgaben für Medikamente ist global
schließlich intakt. Die Weltbevölkerung wächst
und wird immer älter, auch außerhalb der Industrienationen.
China und Indien sind Milliarden-
Märkte. Die Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
rechnet bis 2050 mit einem Anstieg der Gesundheitskosten
von sechs auf 9,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
(BIP).
Biotech verspricht
Wachstumsphantasie
Ein Trend, der die Pharmabranche als Ganzes
für Anleger hochinteressant macht. Gerade,
weil die Kurse und Bewertungen vieler Aktien
oft gar nicht so hoch stehen. Vielen etablierten
Konzernen fehlt es aber an Wachstumsphantasie.
Die wiederum bringen Biotech-Firmen
mit. Damit sind sie gleichzeitig immer auch
Übernahmekandidaten. Oder eben selbst
schlummernde Riesen. „Wir wollen ein globales
Geschäft aufbauen und zu einem führenden
Unternehmen der Immuntherapie im 21. Jahrhundert
werden“, sagte Biontech-Chef Ugur
Sahin jüngst dem Handelsblatt.
Dass Sahin so selbstbewusst auftreten kann,
dürfte nicht nur an dem wissenschaftlichen
Erfolg von Biontech liegen, sondern auch an
dessen wirtschaftlichen Folgen. 1,3 Milliarden
Dosen wollen die Mainzer in diesem Jahr gemeinsam
mit US-Partner Pfizer produzieren.
Knapp die Hälfte davon soll bereits vertraglich
verkauft sein. Damit hätte die deutsch-amerikanische
Allianz einen Umsatz von rund 20
Milliarden US-Dollar fest in der Tasche. Da
wohl auch die restlichen Dosen Abnehmer finden
dürften, könnten daraus am Ende sogar 40
Milliarden US-Dollar werden. Wie genau die
Einnahmen und Erträge aufgeteilt werden, darüber
herrscht noch Stillschweigen. Angesichts
der möglichen Umsatzzahlen steht eines aber
jetzt schon fest: Biontech wird nach 2021 kein
kleiner Player am Pharma-Markt mehr sein.
Entsprechend groß ist das Potenzial der Aktie,
deren Kurs auf Jahressicht allerdings auch
schon um über 80 Prozent zugelegt hat und ein
Teil des möglichen Erfolgs eingepreist scheint.
Wie tasten sich Anleger am besten an die Branche
heran? Im globalen Vergleich hinken die
deutschen Player hinterher, auch wenn Biontech
mit dem Corona-Impfstoff zweifellos ein Coup
gelungen ist. Den Markt regieren Unternehmen
aus den USA. „Gemessen an der Börsenkapitalisierung
und am Finanzierungsvolumen werden
85 % des Biotech-Sektors von US-Unternehmen
dominiert“, sagt Analyst Probst.
US-Amerikaner dominieren den Markt
– Amgen vorweg
Auch der Weltmarktführer und bislang unangefochtene
Platzhirsch kommt aus den Vereinigten
Staaten: Amgen. Der Biotech-Konzern, der vor
allem für seine Krebsmedikamente Epogen und
Neupogen bekannt ist, machte zuletzt rund 25
Milliarden US-Dollar Umsatz im Jahr. An der
Börse sind die Amerikaner mit 111 Milliarden
Euro bewertet. Damit gehört Amgen bereits zu
den Big Playern und hebt sich deutlich von den
vielen aufkommenden Nischenplayern ab. Um
den großen Durchbruch geht es hier in erster
Linie also nicht mehr. Dafür lockt eine Dividendenrendite
von fast drei Prozent. Das Kurs-Gewinn
Verhältnis liegt bei 18. Die Aktie könnte
daher etwas für Anleger sein, die das Risiko
scheuen, aber an eine rosige Biotech-Zukunft
glauben. Der Kurs geriet im Pandemie-Jahr auf
einen Zick-Zack-Kurs, der längerfristige Aufwärtstrend
ist aber intakt. Schwächephasen
könnten für konservative Anleger Einstiegschancen
darstellen. Die nächstgrößeren Firmen der
Branche kommen mit Celgene, Gilead Sciences
und Biogen ebenfalls aus den USA. Dank des
Corona-Impfstoffs dürfte auch Moderna bald ein
Aktien & Märkte
Amgen in US-Dollar Stand: 31.03.2021 Sanofi in US-Dollar Stand: 31.03.2021