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Was der größten Volkswirtschaft der Welt
aktuell wieder auf die Beine hilft, ist neben
den Konjunkturprogrammen auch die massive
Unterstützung durch die US-Notenbank:
Die Fed hat bereits deutlich gemacht,
dass sie voraussichtlich bis 2023 den Leitzins
nicht erhöhen wird, auch um Ihr Ziel einer
Vollbeschäftigung nicht zu gefährden. Was
dazukommt, ist das hohe Impftempo. Die
USA hängen wie kein zweites Land auf der
Erde von Konsum und Dienstleistungen
ab, deswegen drückt die Regierung jetzt
aufs Tempo. Stand 26. April haben mehr
als 138 Millionen Bürgerinnen und Bürger
in den USA bereits ihre Erstimpfung erhalten;
mittlerweile liegt ein Impfangebot für
alle vor. Das zeigt sich auch in der Wachstumsprognose
für das Jahr 2021: Während
für die USA im Dezember 2020 von der Fed
noch ein Plus von 4,2 % vorhergesagt wurde,
rechnet die US-Notenbank mittlerweile mit
einem Zuwachs von 6,5 %. Zum Vergleich:
Für Deutschland wird aktuell 3,5 % Wirtschaftswachstum
prognostiziert. Sind viele
Bürgerinnen und Bürger geimpft, können sie
schneller zu einem normalen Leben zurückkehren
- und das stärkt nebenbei auch noch
die ansässige Pharmaindustrie.
Erneuerbare Energien und Elektromobilität
werden gestärkt
Unternehmen, die ein nachhaltiges Geschäftsmodell
verfolgen, könnten stark von der Politik
Joe Bidens profitieren. Bis 2035 will die
USA in puncto Stromerzeugung klimaneutral
sein; die weiteren Sektoren wie Verkehr und
Wärme sollen bis 2050 folgen. Profitieren
könnten Solarhersteller und Produzenten von
E-Autos. Aus den bisherigen Infrastrukturpaketen
sollen beispielsweise allein 174 Milliarden
US-Dollar in die Förderung der E-Mobilität
fließen. Aktuell hinkt die USA, was den
Ausbau der Erneuerbaren Energien angeht,
noch deutlich hinter anderen Regionen her.
Joe Biden sieht also zu Recht noch viel Luft
nach oben, was sich dann auch positiv auf den
US-Arbeitsmarkt auswirken würde.
Selbst Cecil Roberts, Präsident der Gewerkschaft
“United Mine Workers of America”,
unterstützt den Vorschlag der US-Administration,
vermehrt auf grüne Zukunftstechnologien
zu setzen. Bedingung ist für ihn
allerdings, dass Minen- und Kraftwerksarbeiterinnen
und -arbeiter, die in den kommenden
Jahren ihren Job verlieren, zukünftig
in der Erneuerbaren-Energien-Branche eine
neue Anstellung garantiert bekommen. Generell
wird es unter Joe Biden aber wohl immer
schwieriger für die fossilen Energieträger:
Der neue US-Präsident will Subventionen
in diesem Bereich ersatzlos streichen. Das
könnte sich dann auch negativ auf die Aktien
beispielsweise von Mineralölfirmen auswirken
- wenn sie ihr Geschäftsmodell nicht den
neuen Gegebenheiten anpassen.
Den großen US-Baustoff-Herstellern kommt
dagegen sowohl die Förderung der Transport-
als auch der Bauinfrastruktur zugute. Einige
Unternehmen aus diesen Branchen haben ihre
Peaks aus der Trump-Zeit inzwischen längst
überschritten. Auch die Versicherungsbranche
könnte ein Gewinner unter Joe Biden sein: Die
Absicherung der Bürgerinnen und Bürger soll
durch einen Ausbau des „Obamacare“-Programms
erweitert werden, was die Aktien der
Unternehmen seit der US-Wahl im November
teilweise um mehr als 10 % steigen ließ. Luxusartikel
Hersteller gehören allerdings möglicherweise
zu den Verlierern: Sollten die Steuern für
Großverdienerinnen und -verdiener unter Biden
steigen, wirkt sich das höchstwahrscheinlich
negativ auf deren Konsumverhalten aus.
“America first” - doch auch andere
Regionen profitieren
Joe Biden treibt mit seinen Maßnahmen den
Bullenmarkt weiter an und befeuert wohl
Trendthemen wie Biotech, Erneuerbare
Energien und Elektromobilität. Der neue
US-Präsident stärkt durch sein Infrastrukturprogramm,
das Festhalten an der “America
first”-Maxime seines Vorgängers Donald
Trump und das „Buy American“-Dekret aber
auch traditionelle US-Industrien wie die Bau-
und Metallbranche. Die von Biden geschnürten
Pakete könnten sich darüber hinaus sogar
als weltweites Konjunkturprogramm herausstellen,
von dem auch Unternehmen in Asien
und Europa maßgeblich profitieren. Denn die
Firmen in den USA können und werden nicht
alle Projekte stemmen können, die jetzt geplant
und umgesetzt werden sollen. Und auch
die deutschen Automobilhersteller werden beispielsweise
zukünftig ihre Elektrofahrzeuge in
den USA besser verkaufen können, wenn es
eine gute Ladeinfrastruktur für die E-Autos
gibt. Wie viele seiner angekündigten Maßnahmen
Joe Biden tatsächlich durchbringen kann,
bleibt aber abzuwarten. Erst wenn das feststeht,
wird auch klarer werden, welche Auswirkungen
die Maßnahmen des amtierenden
US-Präsidenten wirklich auf die Börse und die
Entwicklung der Zinsen sowie der Inflation
haben werden.
Foto © Maik Thielen - Sparkassen Broker
Maik Thielen, zertifizierter
technischer Analyst (CFTe) und
Senior Produktmanager beim
Sparkassen Broker in Wiesbaden