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die Kurse der Versicherer ohnehin schon, die Coronapandemie
ist im negativen Sinne eine Wundertüte
und die Naturkatastrophen von Flut bis
Feuer in Europa, aber auch weltweit, geben einen
Vorgeschmack auf das, was da in Zukunft kommen
könnte, wenn das Klima des Planeten beginnt
verrückt zu spielen. Zunächst scheinen das
mindestens suboptimale Voraussetzungen für ein
Investment in Aktien von Rückversicherern.
Münchner Rück rechnet mit
Rekordprämien
Allerdings lassen sich die Naturkatastrophen in
diesem Jahr und die steigende Wahrscheinlichkeit
von solchen Extremwetterereignissen auch
von anderer Seite betrachten. Versicherer wie die
Münchner Rück sind schließlich dafür da, solche
Ereignisse zu versichern. Je wahrscheinlicher diese
werden, desto eher wird der Münchner Konzern
gebraucht. Und vor allem: Desto höhere Prämien
lassen sich durchsetzen. Zunächst einmal sind
Jahrhundertkatastrophen oder ganz grundsätzlich
hohen Schadensummen, die vom „Normalzustand“
innerhalb eines Jahres abweichen, eine
Belastung für die Bilanz. Es mag schon auch
einmal die Dividende wackeln, oder zumindest
deren weitere Erhöhung. Langfristig aber haben
selbst die verheerendsten Wirbelsturm-Katastrophen,
wie Hurrikan Katrina in den USA 2005,
einen Konzern wie die Münchner Rück nicht aus
dem Gleichgewicht gebracht. Im Gegenteil: Oft
lassen in Folge solcher Großschadenereignisse die
Prämien erhöhen. Ein solcher Trend ist bereits
erkennbar. Der Konzern rechnet in diesem Jahr
mit Rekord-Bruttobeiträgen in Höhe von 58 Milliarden
Euro. Für die nächste große Erneuerungsrunde
zum Jahreswechsel rechnet man bei der
Münchner Rück mit weiteren Preiserhöhungen.
Darüber hinaus können Erstversicherer immer
nur einen Teil der Schäden an die Rückversicherer
weitergeben.
Langfristig leiden unter solchen Naturkatastrophen
vor allem die betroffenen Menschen,
Städte und Gemeinden. Bei Konzernen wie der
Münchner Rück führen sie allein zu anderen
Risikobewertungen. Und deshalb werden sie
auf Dauer auch kein Geld damit verlieren, weil
sie steigende Belastungen schlicht in ihre Prämien
einpreisen. Wer diese Prämien, die dann
über höheren Prämien der Erstversicherer an
die Endkunden weitergegeben wird, nicht zahlen
kann, wird nicht versichert.
Nun mag in Folge der Flutkatastrophe in
Deutschland eine Debatte um Pflichtversicherungen
gegen Elementarschäden entbrannt
sein. Doch auch eine solche wird Versicherer
kaum belasten. Die Prämien werden sich daran
anpassen. Wer sie nicht zahlen kann, muss woanders
wohnen oder bekommt vielleicht Hilfe
vom Staat. Versicherer jedenfalls sind private,
gewinnorientierte Unternehmen mit großen
Abteilungen, die über verschiedenste Modelle
berechnen, was sich lohnt und was nicht.
Berenberg-Analystin: Konzern in der
Lage selbst „schlimmst Szenarios
abzufedern“
Deshalb können Aktien, wie die der Münchner
Rück, in Jahren wie diesem ein Kauf sein. Womöglich
muss man als Anleger eine längere Durststrecke
aussitzen, aber auf Dauer lohnt sich „Buy
the Dip“ hier meistens. Historisch gesehen war es
bei den Münchnern jedenfalls immer so.
Hinzu kommt: Bislang steht es in diesem Jahr
trotz aller negativen Einflüsse gar nicht schlecht
um den Gewinn der Münchner Rück. In den
ersten sechs Monaten 2021 verdiente der Rückversicherer
1,7 Milliarden Euro. Das ist mehr
als doppelt so viel, als im Vergleichszeitraum des
Vorjahres. Für das Gesamtjahr rechnet Finanzvorstand
Christoph Jurecka mit einem Nettogewinn
in Höhe von 2,8 Milliarden Euro. Die Flutkatastrophe
könnte dem Konzern rund 500 Millionen
Euro kosten, Corona-Todesfälle, vor allem in den
USA, weitere 400 Millionen Euro. Im Gewinnziel
ist all das aber bereits eingepreist. Damit
könnte die Münchner Rück bereits durch das
Jahr 2021 besser kommen, als erwartet. Die Dividende
dürfte angesichts solche Ergebniserwartungen
auch nicht in Gefahr sein. Von Anlaysten
gelobt wurde zuletzt auch die Solvenzquote von
225 Prozent. Diese drücke eine bilanzielle Stärke
aus, schrieb JPMorgan-Experte Ashik Musaddi.
Auch deshalb sieht Analysten-Kollegin Kathryn
Fear von der Privatbank Berenberg den Konzern
mit Blick auf mögliche Wirbelsturmschäden, die
noch kommen, am besten unter den Rückversicherern
aufgestellt. Fear geht davon aus, dass die
Deutschen in der Lage sein werden, selbst „die
schlimmsten Szenarios abzufedern“.
Dass die jüngsten Kursverluste deshalb ein Einstiegschance
sein können, beginnen offenbar
immer mehr Anleger zu merken. In den vergangenen
Wochen kletterte die Aktie aus ihrem
Zwischentief zurück auf 257 Euro, ehe sie wieder
leicht nachgab. Bis zum Vorkrisenhoch klafft
weiterhin eine Lücke von fast 15 Prozent. OG
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