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Foto © picture alliance/dpa | Arne Dedert
Mitarbeiter in der Bundesbank. Einst der
jüngste Bundesbankpräsident aller Zeiten ist
er innerhalb einer Dekade zum enttäuschsten
Präsidenten aller Zeiten geworden.
Der Falke war im EZB-Rat, dem er als Bundesbankpräsident
genauso wie die anderen
Notenbankchefs der Euroländer angehört, in
der Minderheit. Mitstreiter für einen klaren
ordnungspolitischen Ansatz gab es immer
weniger: Von der deutschen Kollegin im
EZB-Direktorium Isabell Schnabel muss er
sich im Stich gelassen fühlen. Schnabel verteidigt
noch immer die hohen Inflationsraten
im Euroraum, die mit aktuell 3,4 Prozent
deutlich über jenen zwei Prozent liegen, die
sich die EZB selbst als Zielkorridor gesetzt
hat. Auch Klaas Knot, niederländischer Notenbankpräsident
und einer, den Weidmann
lange in seinem Nest der Falken verordnete,
hat das Lager jüngst gewechselt. „Im Moment
sehen wir das Phänomen der Inflation als vorübergehend
an“, hat Knot noch am Sonntag
zu Protokoll gegeben. Weidmann dagegen ist
alarmiert. In dem Brief an die Mitarbeiter
fordert er, „perspektivische Inflationsgefahren
nicht aus dem Blick zu verlieren“. Eine „stabilitätsorientierte
Geldpolitik“ werde dauerhaft
nur möglich sein, wenn der Ordnungsrahmen
der Währungsunion weiterhin die Einheit
von Handeln und Haften sichere, die Geldpolitik
ihr enges Mandat achte und nicht ins
Schlepptau der Fiskalpolitik oder der Finanzmärkte
gerate.
Sorgen bereitet dem nun scheidenden Bundesbank
Präsidenten vor allem das Pandemie
Notfall-Programm PEPP. Es läuft nach
bisherigem Plan bis Ende März 2022 und
bietet der Europäischen Zentralbank besonders
flexible Möglichkeiten, Staatsanleihen
zu kaufen und damit einzelne Staaten wie
etwa Italien zu unterstützen. Ob es verlängert
wird, darüber will die EZB im Dezember entscheiden.
Aus Weidmanns Sicht gehört es in
die Mottenkiste: Das erste „P“ in dem Pepp
genannten Programm stehe für „pandemic“
und nicht für permanent, lautet Weidmanns
deutliche Ansage dazu. Eine Notfall-Option
müsse beendet werden, wenn der Notfall vorbei
sei, hatte er jüngst in einem Interview mit
dem Handelsblatt gefordert.
Allerdings steht er auf verlorenem Posten.
Seine wichtigsten Gegenspieler jedenfalls
haben bereits angedeutet, dass sie Weidmann
nicht zustimmen. Der italienische
Notenbankchef Ignazio Visco und sein französischer
Amtskollege François Villeroy de
Galhau wollen die gewonnene Flexibilität
zumindest teilweise beibehalten. Offenbar ist
die damit einhergehende einfache Möglichkeit
für die Nationalstaaten an Geld zu kommen,
allzu verführerisch.
Im Brief an die Mitarbeiter schreibt Weidmann
nun, erst die Finanzkrise, dann die die
Staatsschuldenkrise und zuletzt die Pandemie
Inflationsraten D, Eurozone, USA Stand: 04.11.2021