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Erholung“ und nicht in einem „Boom“. Wenn
die EZB gezwungen wäre, aufgrund der hohen
Inflationsraten jetzt die Leitzinsen anzuheben,
würde die Erholung beeinträchtigt
oder sogar gestoppt werden. Die Pandemie
hat auf globaler Ebene Engpässe in der Produktion
und im Transport erzeugt. Denn die
Nachfrage nach Gütern hat stark zugenommen.
Die Energiepreisanstiege haben mit einer
unterdurchschnittlichen Lagerhaltung bei
Erdgas und einer niedrigen Investitionstätigkeit
für neue Förderanlagen zu tun. Zweitens
werden die aktuell hohen Inflationsraten von
der EZB als vorübergehend eingeschätzt. So
lange die langfristigen Inflationserwartungen
der Konsumenten, Unternehmen, Marktteilnehmer
und Volkswirte bei rund 2% p.a. verankert
bleiben, ist der Druck unmittelbar mit
Leitzinsanhebungen auf hohe Inflationsraten
zu reagieren niedrig. Das gilt im Unterschied
zu Zentralbanken in Ländern mit einer negativen
Inflationsvergangenheit wie Brasilien.
Dort wurden die Leitzinsen bereits kräftig
erhöht.
Wann kommt die Zinswende?
Die Inflationsprojektionen der EZB liegen unter
dem symmetrischen Inflationsziel von 2%.
Wenn diese Einschätzungen auf das Inflationsziel
nach oben revidiert werden, sind die Voraussetzungen
für eine Leitzinsanhebung gegeben.
Im Basisszenario könnte die EZB im Jahr
2023 die Negativzinspolitik beenden.
Das Gesamtvermögen der österreichischen
und deutschen Haushalte
eilt von Rekord zu Rekord. Weil viele
Verbraucher seit der Corona-Krise
wieder mehr Geld auf dem Girokonto
und auf gering verzinsten Sparkonten
bunkern, verliert ihr Vermögen stetig
an Wert. Warum scheuen trotzdem so
viele Menschen den Aktienmarkt?
In Kontinentaleuropa ist die Aktienkultur
mangelhaft. Langfristige Tendenzen werden in
der Wahrnehmung oft von täglichen, wöchentlichen
und jährlichen Kursschwankungen verdeckt.
Anders ausgedrückt steht der spekulative
Charakter oftmals im Vordergrund. Das wirkt
für risikoaverse Investoren abschreckend.
Einige Experten fordern, dass die
Politik reagieren und zum Beispiel
Reformen der staatlich geförderten
und kapitalgedeckten Altersvorsorge
umsetzen müsse. Wie stark sollte
der Staat jetzt eingreifen?
Der Anteil der Rentenbezieher in Relation zur
arbeitenden Bevölkerung wird in den kommenden
Jahrzehnten deutlich zunehmen. Das
Finanzministerium wird deshalb einen immer
größeren Anteil der Steuereinnahmen für Rentenzahlungen
verwenden müssen. Für die Lösung
dieses Problems ist ein höherer Anteil der
kapitalgedeckten Altersvorsorge ein zentraler
Bestandteil. Der Reformstau ist auch in diesem
Bereich groß.
Gleichzeitig ist das Bewusstsein
für Aktien insbesondere bei den
jüngeren Generationen gestiegen.
Sehen Sie Anfänge einer neuen
Aktienkultur?
Generell ist durch die neuen Technologien der
Zugang zum Kapitalmarkt erleichtert worden.
Tendenziell ist die jüngere Generation technikaffiner.
Allerdings scheint der spekulative
Charakter zu dominieren. Die finanzielle Allgemeinbildung
ist mangelhaft geblieben.
Wenn wir von neuen Investmentkulturen
reden – wie sehen Sie nachhaltige
Investments?
Das Segment der nachhaltigen Investmentfonds
hat in der Erste Asset Management im November
2021 mit einem veranlagten Volumen von
über 14,3 Mrd. Euro, und damit fast 20% unserer
Assets under Management, weiter an Bedeutung
gewonnen. Die im März in Kraft getretene
Offenlegungsverordnung der EU hat diesen Prozess
beschleunigt. Durch die in den Klimakonferenzen
festgeschriebenen CO2-Reduktionsziele
– etwa was den Kohleausstieg betrifft – und
abgeleitet durch die offensiven Pläne der neuen
deutschen Bundesregierung in Richtung Dekarbonisierung
oder die ökosoziale Steuerreform in
Österreich werden Investitionen in den Klima-
und Umweltschutz auf Dauer wachsen.
Vorerst hat der schuldenfinanzierte
Immobilienboom in China keine
Systemkrise
ausgelöst. Ist diese
Gefahr
damit vom Tisch?
Die Gefahr ist niedrig aber dennoch vorhanden.
Denn das hohe Schuldenniveau hat tatsächlich
das Potenzial für eine Systemkrise. Allerdings
hat die chinesische Wirtschaftspolitik
die Werkzeuge, um eine solche einzudämmen.
Dazu gehören nötigenfalls erstens notleidende
Schulden vom Staat zu übernehmen und zweitens
eine sehr expansive Geldpolitik ähnlich wie
in den entwickelten Volkswirtschaften.
In diesem Jahr haben viele Indizies
neue Höchststände markiert. Womit
dürfen Anleger in 2022 rechnen?
Im Basisszenario erwarten wir für einen globalen
Aktienindex einen moderaten Kursanstieg
im niedrigen einstelligen Bereich. Die Kursentwicklung
in den vergangenen Jahren war bereits
sehr gut. Mittlerweile ist ein günstiges zukünftiges
Szenario in den Kursen reflektiert. Das Risikoprofil
ist asymmetrisch nach unten gerichtet.
Zum Beispiel könnten die Impfquoten zu
niedrig und die Inflationsraten zu hoch bleiben.
Für diese Fälle würde die Aktienkursentwicklung
wahrscheinlich ungünstiger ausfallen.
Das Gespräch führte Florian Spichalsky