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Fünften. Offenbar kommt immer mehr zum
Tragen, dass viele Arbeitnehmer im Homeoffice
arbeiten können und somit lange Anfahrtswege
nicht mehr so ins Gewicht fallen.
Überraschend deutliche Kehrtwende
Die hohen Baukosten treffen auch Unternehmen,
die Büros, Lager oder Produktionshallen
erweitern oder modernisieren wollen. Allein
zwischen 2010 und 2020 ist der Index für Gewerbeimmobilien
von 100 auf 153 gestiegen, so
die Statistiker in Wiesbaden. Trotz der ungebrochen
hohen Nachfrage, sieht die Bafin die
Entwicklung immer kritischer. Sie befürchtet,
dass die immer mehr aufgeblähten Immobilienpreise
platzen könnten. Der Markt drohe heiß
zu laufen, warnt Bafin-Chef Mark Branson.
Inzwischen gebe es Wohnimmobilienkredite
über mehr als 1,6 Billionen Euro. „Mit Blick
auf die Finanzstabilität ist es jetzt Zeit, in den
Präventionsmodus zu wechseln“, betont Branson.
Die Bafin tritt deshalb auf die Bremse
und schreibt den Banken einen sogenannten
„antizyklischen Kapitalpuffer“ von 0,75 Prozent
vor. Der war im Zuge der Covid-19-Pandemie
auf null Prozent gesenkt worden, davor lag
er bei 0,25 Prozent. Die Erhöhung des Kapitalpuffers,
der die Widerstandsfähigkeit von
Banken in Krisenzeiten erhöhen soll, ist nach
Ansicht von Marktbeobachtern überraschend
deutlich ausgefallen. Und damit nicht genug:
Zudem soll ein weiterer Puffer eingeführt
werden, der insbesondere Wohnimmobilien-
Kredite absichert. Hier sollen die Banken
zwei Prozent dieser Finanzierung aus ihrem
Eigenkapital zurücklegen. Nach Angaben
von Bafin-Präsident Mark Branson, müssen
die deutschen Banken dadurch zusätzlich 22
Milliarden Euro an Eigenkapital vorhalten.
Bundesbank warnt vor überteuerten
Immobilien
Auch dem Ausschuss für Finanzstabilität (AFS),
dem Vertreter des Bundesfinanzministeriums,
der Bundesbank und der Bafin angehören, ist
der Preisauftrieb am Wohnimmobilienmarkt
unheimlich. Laut Bundesbank-Vizepräsidentin
Claudia Buch liegen die Preise für Wohnimmobilien
zehn bis 30 Prozent über den
Werten, die sich durch Fundamentaldaten
– wie Marktanalysen und Unternehmensdaten
– noch rechtfertigen lassen. So hätten Anschaffungskosten
allein im dritten Quartal 2021 um
zwölf Prozent zugelegt. Die Kredite für Wohnimmobilien
seien in diesem Zeitraum mit sieben
Prozent ebenfalls überdurchschnittlich
gestiegen. Bei einem Preiseinbruch könnten
die gegengerechneten Sicherheiten nicht ausreichen,
um Kreditausfälle zu kompensieren,
warnt Buch.
So ganz von alleine kam diese Einsicht allerdings
nicht. Ausgerechnet die Europäische
Zentralbank (EBZ), die selbst weiter auf ihrer
Niedrigzinspolitik beharrt, hat die Deutschen
bereits im vergangenen Herbst wegen der hohen
Immobilienpreise zum Einschreiten aufgefordert.
Die Banken würden durch die beiden
Maßnahmen nicht über Gebühr strapaziert, beschwichtigt
Bafin-Chef Branson. Beim antizyklischen
Kapitalpuffer gehe es um eine Summe
von 17 Milliarden Euro, beim sektoralen Puffer
um fünf Milliarden. Die meisten Banken hätten
dafür genügend Kapital, nur wenig müsse
neu akkumuliert werden. Außerdem hätten
die Banken bis Februar 2023 Zeit, den Puffer
Foto © unsplash - Bernard Hermant
„Die Folgen treffen
schließlich
die Kunden,
die ohnehin unter den
hohen Immobilienpreisen
leiden: Für sie dürfte der
Immobilienkauf
noch teurer und schwieriger
w erden.“
Ulrich Reuter,
Präsident des Sparkassenverbands Bayern