Aktien & Märkte
12
Steuerrabatt an der Zapfsäule; ich weiß,
dass der sehr breit wirkt, dafür muss ich
keine Ökonomen befragen. Aber es ist der
Versuch, den Inflationsdruck so zu reduzieren,
dass wir nicht in eine Lohn-Preis-Spirale
eintreten. Das ist das, was in diesem
Jahr ansteht. Und in der Perspektive ist es
das Ziel, in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts
wieder die reguläre Mastricht-Verschuldungsquote
von 60 Prozent zu erreichen,
wir sind jetzt etwa 70 Prozent. Aber
wenn es gelingt, dass wir über die nächsten
Jahre stärkeres wirtschaftliches Wachstum
haben – und gleichzeitig die Schuldenbremse
einhalten – dann wachsen wir gesamtstaatlich
gewissermaßen aus der Verschuldung
heraus.
Jeder Unternehmer würde in so einer
Situation sagen: Ok, ich kann auch
Assets verkaufen. Das können Sie auch.
Es gibt ja zum Beispiel eine große Beteiligung
an der Deutschen Telekom;
die ist 25 Milliarden wert. Ich glaube,
man hätte großes Verständnis in der
Bevölkerung, wenn man sagt: Die verkaufen
wir jetzt und setzen das Geld für
die nationale Sicherheit ein; und das ist
ja auch FDP-Programm gewesen. Steht
das noch auf der Tagesordnung?
Alle Beteiligungen, die ja von mir als Finanzminister
geführt werden, werden immer
darauf geprüft, ob sie noch benötigt
werden und welche Privatisierungsmöglichkeiten
es gibt. Das sehe ich aus ordnungspolitischen
Gründen als wichtig an.
Für die Staatsfinanzierung – muss man
wissen – sind es Einmaleffekte und sie werden
auf die Schuldenbremse angerechnet.
Das heißt also, man gewinnt keinen Freiraum
bei der Schuldenbremse; sie ist klug
konstruiert, damit man nicht durch Einmaleffekte
beim sogenannten Tafelsilber
in der Lage ist, in den Konsum zu gehen.
Herr Weimer, bei allem, was wir an Investitionen
brauchen, sind wir gut aufgestellt.
Meine Sorge ist es nicht, dass uns das Geld,
das Kapital, für die Investitionen fehlt – im
Gegenteil: in meiner Finanzplanung sehe
ich jedes Jahr 50 Milliarden für Investitionen
vor, selbst bei Einhaltung der Schuldenbremse.
Allein im Verkehrsbereich wird
der Betrag auf 20 Milliarden Euro im Jahr
anwachsen; dann kommt noch für Klima
und Transformation ein spezieller Fonds
hinzu. Unser Problem ist nicht fehlendes
öffentliches Geld, unser Problem sind die
volkwirtschaftlichen Kapazitäten, uns fehlen
die Fachkräfte, uns fehlen Vorprodukte
wie Halbleiter …
und eine Reform der Staatsbürokratie.
Wir bräuchten endlich weniger Regeln
und schnelle Verfahren …
Das werden wir korrigieren. Bei den Verfahren
setzen wir jetzt an. Wir müssen
auch an den volkwirtschaftlichen Kapazitäten
arbeiten, Fachkräfteeinwanderung,
Bildung, Forschung – völlig klar. Es mangelt
dennoch nicht am öffentlichen Geld,
sodass man über weitere Schulden oder
höhere Steuern nachdenken müsste.
Sie haben eben das Thema Inflation
angesprochen. Jetzt sitzen Sie hier vor
dem Antlitz Ludwig Erhards; er hat 1957
das Bundesbank-Gesetz auf den Weg
gebracht und immer ermahnt, Geldpolitik
muss unabhängig sein, Geldwertstabilität
ist etwas ganz Wichtiges. Jetzt
haben wir die höchste Inflation zu unseren
Lebzeiten. Was sagen Sie eigentlich
in Richtung EZB? Der Inflations-Impuls
der letzten zwei Monate hat viel mit
dem Krieg zu tun, aber wir hatten das
Inflationsproblem schon vorher – als
Ergebnis einer sehr lockeren Geldpolitik.
Die Amerikaner sind da früher
auf den Stabilitätspfad umgekehrt, die
EZB noch nicht. Liegt das nicht auch in
Ihrem Verantwortungsfeld? Was sagen
Sie Frau Lagarde?
Ich stehe im engen Austausch mit Frau Lagarde
und auch mit Herrn Nagel von der
Bundesbank. Wir haben allerdings aufgrund
der Unabhängigkeit unserer Notenbank
in der Tradition von Ludwig Erhard
eine begrenzte Zuständigkeit. Ich halte
mich daher mit Ratschlägen oder gar Forderungen
zurück. Zur Inflation mit Blick
auf die Notenbanken kann man immerhin
erkennen, dass es eine Änderung gibt;
die Ankaufprogramme werden beendet
oder modifiziert – das halte ich für absolut
richtig. Und auch die Ankündigung möglicher
Zinsschritte – was ja nur Sinn macht,
wenn die Ankaufprogramme zurückgefahren
sind – ist angemessen; wir haben
„Es ist das Ziel,
in der zweiten
Hälfte dieses
Jahrzehnts wieder
die reguläre
Mastricht-Verschuldungsquote
von 60 Prozent
zu erreichen, wir
sind jetzt bei
etwa 70 Prozent.“