Aktien & Märkte Gastbeitrag
Längst hat nicht nur die Einsicht, dass auch
Unternehmen einen substanziellen Beitrag zum
Klimaschutz leisten müssen, die Führungsetagen
der Wirtschaft erreicht. Ein Großteil der Firmen
hat sich inzwischen auch konkrete Ziele zur
Emissionsreduzierung gegeben. Allerdings sind
diese nicht ehrgeizig genug, um das im Pariser
Klimaabkommen definierte Ziel erreichen zu
können. So werden die summierten Einsparungen
der größten börsennotierten Unternehmen
die Emissionen dieser Unternehmen bis 2030
nur um rund 20 Prozent senken. Wir brauchen
aber eine Reduktion um 43 Prozent.
Dass es nicht schneller vorangeht, hat mehrere
Gründe. Einer davon ist die Tatsache, dass der
Zugang zu grüner Energie in vielen Ländern begrenzt
ist, ein anderer, dass der Umstieg auf fossilfreie
Energie enorme Investitionen erfordert.
Auch die etablierten Unternehmenskulturen wirken
bremsend, weil sie sich noch überwiegend an
kurzfristigen finanziellen Zielen orientieren.
Nachhaltigkeitsaspekte gelten deshalb in vielen
Unternehmen noch immer als weniger wichtig.
Dabei wird sich nachhaltiges Denken und
Handeln in den nächsten Jahren zu einem entscheidenden
Wettbewerbsfaktor entwickeln
und neue Erlösquellen erschließen – vorausgesetzt,
wir gehen den dafür nötigen Paradigmenwechsel
jetzt aktiv an.
Wettbewerbsmechanismen
verschieben sich
Konzentrierten sich Wettbewerbsvorteile früher
stark auf Kosten und Qualität, gibt es heute eine
weitere Dimension: CO2. Die Folge: Emissionen
werden zu einer zusätzlichen Währung – und die
will hart finanziell gemanagt werden, denn sie ist
unmittelbar ergebnisrelevant. Der CO2-Preis pro
Tonne ist dynamisch – und kann, je nach Industrie,
bis zur Hälfte der erzielten Gewinne tilgen.
Handeln oder Nichthandeln in Klimafragen
wird damit zu einem neuen, wichtigen Differenzierungsfaktor.
Die Klimaschutzaktivitäten der
Firmen werden sich dadurch zunehmend auch im
Unternehmenswert widerspiegeln. Wenn Nachhaltigkeit
einen zentralen Bestandteil der Unternehmensstrategie
bildet, ergeben sich Einsparmöglichkeiten
und neue Geschäftsmodelle.
Aus der Klimaperformance Mehrwert
generieren
Führungskräfte müssen die Dekarbonisierung
als Investition in die Zukunft ihres Unternehmens
begreifen. So sollten sie etwa sondieren,
wie sie den Energieverbrauch ihrer Firma minimieren
und durch emissionsarme Alternativen
ersetzen können. Digitale Lösungen und
künstliche Intelligenz können dabei helfen,
Emissionsprofile besser zu verstehen. Gemeinsam
mit Zulieferern lassen sich auch entlang der
gesamten Lieferkette Einsparpotenziale in der
Energienutzung identifizieren und umsetzen.
Darüber hinaus sollten Unternehmen versuchen,
die Dekarbonisierung bereits in den Prozess der
Produktentwicklung zu integrieren und vorhandene
Hebel zur Senkung der Emissionen in den
Produkten zu nutzen. Nicht zuletzt gilt es, die
Dekarbonisierung in der Unternehmenskultur,
-organisation und den -prozessen zu verankern
und entsprechende Anreizsysteme zu etablieren.
Wer klug ist, nutzt jetzt die Chancen.
NACHHALTIGKEIT
WIRD ZENTRALER
BESTANDTEIL DER
UNTERNEHMENSSTRATEGIE
Ohne einen ökologischen Umbau der Wirtschaft
ist wirksamer Klimaschutz nicht
möglich. In der teilweise einseitig auf steigende
Anforderungen und Kosten fokussierten Diskussion
wird allerdings oft vergessen, dass die
Dekarbonisierung auch große Chancen birgt –
auf Einsparungen, aber auch auf attraktive
neue Geschäftsmodelle.
Yvonne Ruf
Partnerin bei Roland Berger
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