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Corona hebt Gaming-Aktien auf ein neues Level

Dank Corona erlebt die Gaming-Branche einen Boom. Umsatz und Nutzerzahlen steigen im Eiltempo. Die Aktienkurse vieler Anbieter explodieren. Das Wachstumspotenzial bleibt langfristig immens.

US-Gigant Activision Blizzard hat ein Rekordquartal hinter sich, die Pandemie lässt die Nutzerzahlen in die Höhe schnellen. (Foto: Barone Firenze / Shutterstock)

Dank Corona erlebt die Gaming-Branche einen Boom. Umsatz und Nutzerzahlen steigen im Eiltempo. Die Aktienkurse vieler Anbieter explodieren. Das Wachstumspotenzial bleibt langfristig immens.

Inzwischen empfiehlt sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Spielen von Videogames. Gemeinsam mit Spieleentwicklern wie Activision Blizzard und Riot Games sowie dem Streaming-Anbieter Twitch hat sie die Kampagne #PlayApartTogether losgetreten. Frei übersetzt heißt das so viel wie „getrennt gemeinsam zocken“. Die Corona-Pandemie, sie macht vieles möglich.

Viel Überzeugungsarbeit brauchte die Gesundheitsbehörde nicht zu leisten. In einer Studie der Havas Media Group gab die Mehrheit der Befragten das Videospielen als ihr bevorzugtes Mittel gegen Langeweile an. Entsprechend haben die im Zuge der Coronakrise ausgerufenen Shut- und Lockdowns weltweit einen regelrechten Run auf Videospiele ausgelöst. Die Vertriebsplattform Steam – eine der größten weltweit – zählte  im April so viele Nutzer wie nie zuvor. Vor allem sogenannte Multiplayer Online Games waren gefragt, also genau die Art Spiele, die die WHO für sich entdeckt hat. Gegenüber dem Durchschnitt aus Januar und Februar, stieg die Anzahl der Spieler im März um 35 und im April sogar um 75 Prozent. So geht es aus einer umfassenden Datenerhebung der Media and Games Invest (MGI), selbst Anbieter von Online-Spielen, hervor. Insgesamt sollen die Registrierungen für Online-Games der Studie nach im April gegenüber den beiden Wintermonaten um 43 Prozent gestiegen sein. Unter normalen Umständen sinkt die Zahl im Frühjahr aufgrund des besseren Wetters.

Online-Games immer beliebter

„Die Entwicklung der Spielerzahlen hat sich weltweit nahezu im Gleichschritt mit den verschiedenen Phasen der sozialen Distanzierung vollzogen“, heißt es in dem Bericht. So stagnierten die Umsätze unter den Top Ten der Massively Multiplayer Online Games (MMOs) in Nord- und Südamerika noch, als sie in Europa im März bereits zulegten. Im April dann, als das Coronavirus auch dort für groß angelegte Lockdowns sorgte, schnellten die Einnahmen um 59 und 48 Prozent nach oben. „Der digitale Austausch bei Multiplayer Online Games hat den direkten Kontakt zwischen Menschen während des harten Lockdowns in Teilen ersetzt“, erklärt MGI-Vorstandschef Remco Westermann das Wachstum. Zudem spiele es natürlich eine Rolle, dass die Menschen, die lange Zeit zu Hause blieben, interaktives gegenüber passivem Entertainment wie etwa TV-Serien bevorzugen würden. Das spürt auch US-Branchenriese Activision Blizzard. CEO Bobby Kotick sagte in einem Interview mit CNBC: „Die meisten unserer Spiele verzeichnen ein Rekord-Engagement.“ Es kehrten sowohl Spieler zurück, die längere Zeit inaktiv gewesen wären, wie auch kämen „viele neue Spieler zum ersten Mal zu uns“.

Die zweite Welle rollt

Der Gaming-Trend derweil ist nicht neu und war bereits vor Ausbruch des Coronavirus intakt. Nun erlebt er eine Art zweite Welle – ganz im positiven Sinne. Das zeigt sich besonders anschaulich an den Aktienkursen der US-Marktführer. Sowohl bei Activision Blizzard als auch bei Electronic Arts (EA) stiegen diese bis zum Herbst 2018 kräftig an, ehe der damalige Flash-Crash, Gewinnmitnahmen und dann geringere Wachstumsraten für deutlich sichtbare Abverkäufe sorgten. Im Jahr 2019 berappelten sich die Kurse wieder, kamen allerdings nicht mehr ran an ihre Rekordhochs. Dann kam die Coronakrise, sorgte für eine kurzen Absturz, dann aber für eine umso kräftigere Erholung. Inzwischen stehen beide Aktien deutlich über Vorkrisenniveau und klettern zielstrebig in Richtung ihrer Hochs von 2018. Auf Zehnjahressicht haben die Papiere der beiden Spielentwickler 620 Prozent (Activision Blizzard) und 740 Prozent (EA) an Wert zugelegt. Trotz dieser Kursexplosionen sind die Börsenbewertungen beider Konzerne der realwirtschaftlichen Entwicklung aber nicht enteilt. KGVs um die 30 erscheinen angesichts der gewaltigen Wachstumschancen moderat.

Der Markt, der sich der Gaming-Branche noch eröffnen könnte, ist dazu gigantisch. Bereits 2019 wurden Zahlen des US-Marktforschers Newzoo nach in der Branche 149 Milliarden US-Dollar umgesetzt. In diesem Jahr könnten es bei 2,7 Milliarden Spielern 159,3 Milliarden Dollar werden. Bis 2023 rechnet Newzoo mit Wachstumsraten von 8,3 Prozent per annum. Die Marktforschungsfirma Global Data sieht den Markt 2025 die Umsatzmarke von 300 Milliarden US-Dollar erreichen. „Unter anderem wegen sinkender Reiseaktivitäten der Menschen und einem veränderten Lebensstil nach Corona dürfte die Nachfrage weiter zunehmen“, glaubt auch Ankit Gheedia, Aktienstratege bei BNP Paribas.

Digitalisierung schafft neue Ertragsmodelle

Die Bedeutung von Mobile-Games dürfte dabei weiter steigen. Inzwischen gehen 45 Prozent der globalen Spielerlöse auf das Konto von Spielen für Smartphones oder Tablets. 32 Prozent gehen auf  die drei großen Konsolen (Playstation, Xbox, Switch) zurück. Dem PC bleiben immerhin noch 23 Prozent. Besonders in Asien sind die Spiele für mobile Geräte beliebt. Von diesem Boom profitiert an vorderster Stelle Chinas Tech-Gigant Tencent. Der vor allem für seine Social-Media-Aktivitäten bekannte Konzern ist gleichzeitig das nach Umsatz größte Videospielunternehmen der Welt. Im ersten Quartal 2020 konnte Tencent die Umsätze im Vertrieb von Onlinespielen um mehr als 30 Prozent steigern. Tencent gehören unter anderem auch Anteile an Activision Blizzard und dem französischen Spieleentwickler Ubisoft. Die Aktie der Chinesen hat zuletzt ein neues Rekordhoch markiert.

Neben einer steigenden Anzahl von Spielern dürfte die Spieleindustrie in den kommenden Jahren weiter vom Trend des direkten Game-Downloads oder gleich dem Spielen in der Cloud profitieren. Das spart auf der einen Seite den teuren Umweg über den Einzelhandel und schafft auf der anderen wiederkehrende Einnahmen. Hinzu kommen sogenannte In-Game-Käufe, die inzwischen einen erheblichen Teil zum Umsatz beitragen. Spieler können so beispielsweise bestimmte Gadgets nur gegen Bezahlung erwerben. Um konkurrenzfähig zu bleiben werden dafür teils mehrere tausend Dollar berappelt.

Hardware-Hersteller profitieren mit

Neben den Spielentwicklern profitieren freilich auch die Entwickler der marktbeherrschenden Konsolen, sprich Microsoft (Xbox), Sony (PlayStation) und Nintendo (Switch), von dem Boom. Nintendo steigerte seinen Umsatz mit Konsolen im ersten Quartal um 40,6 Prozent. Microsoft und Sony bringen noch in diesem Jahr und voraussichtlich zum Weihnachtsgeschäft neue Konsolen auf den Markt. Und auch die Nachfrage nach Grafik-Chips, beispielsweise von Nvidia, AMD oder Intel, dürften steigen.

Die Gaming-Industrie insgesamt ist zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig geworden. Das war schon lange vor Ausbruch des Coronavirus so. Allein, nun dürften sich viele Sektor-Trends beschleunigen. Viel Potenzial dürfte dabei auch im E-Sport liegen, dessen Entwicklung noch in den Kinderschuhen steckt. Wer als Anleger mit dabei sein will und das Einzelaktien-Risiko scheut, kann auch breit in ETFs wie den „VanEck Vectors Video Gaming and eSports UCITS ETF“ investieren. Dank WHO-Empfehlung neuerdings vielleicht mit besonders gutem Gewissen.

Oliver Götz