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Das sind die deutsche Börsenkandidaten 2021

Auch in diesem Jahr sammeln Unternehmen in Deutschland über Börsengänge frisches Geld ein. Den Auftakt macht die Autohandelsplattform Auto1. Welche Unternehmen sonst noch den Schritt aufs Börsenparkett wagen könnten

Auto1 legt gut vor: CFO Markus Boser (l.), CEO und Co-Founder Christian Bertermann (m.) und Mitgründer Hakan Koç (r.) feiern den fulminanten Börsenstart (Bild: Auto1 Group).

Auch in diesem Jahr sammeln Unternehmen in Deutschland über Börsengänge frisches Geld ein. Den Auftakt macht die Autohandelsplattform Auto1. Welche Unternehmen sonst noch den Schritt aufs Börsenparkett wagen könnten

Montagmorgen. Auf der Kurstafel des Frankfurter Börsenparketts leuchteten 55 Euro auf – ein Plus von 45 Prozent zum Zuteilungspreis von 38 Euro. Ein sehr ordentlicher Start für Auto1, den Betreiber von „wirkaufendeinauto.de“. Das von Christian Bertemann und Hakan Koç in Berlin gegründete Unternehmen wurde insgesamt mit knapp zwölf Milliarden Euro bewertet. Damit liefert der digitale Gebrauchtwagenhändler einen fulminanten Auftakt für das Börsenjahr 2021, von dem sich Anleger viel erhoffen.

Ein Blick in den Rückspiegel: 1.322 Unternehmen haben im Corona-Jahr 2020 den Schritt aufs Börsenparkett gewagt – 15 Prozent mehr als im Vorjahr, wie eine Studie des Beratungs- und Prüfungsunternehmens EY ergab. Insgesamt stieg das Emissionsvolumen um etwa 26 Prozent auf umgerechnet rund 219 Milliarden Euro und erreichte damit den höchsten Wert seit 2010. „Auf den ersten Blick erscheint es ungewöhnlich, dass in einem so schwierigen Jahr wie 2020 Börsengänge derartig boomen", kommentierte EY-Experte Martin Steinbach. Ein wichtiger Treiber sei aber weiterhin die „enorm hohe Liquidität, die im Markt ist und nach Anlagemöglichkeiten sucht.“

Laut Steinbach verleihe die Pandemie der Digitalisierung und damit Technologieunternehmen einen gewaltigen Schub und beschleunige die Entwicklung vieler anderer Branchen, die sonst sehr viel länger brauchen. Neben Technologiekonzernen, deren IPOs (Initial Public Offering – Erstangebot von Aktien) etwa ein Drittel der weltweiten Emissionserlöse und knapp ein Viertel aller Börsengänge ausmachten, dominierten vor allem Unternehmen aus der Gesundheitsbranche. Diese waren für 17 Prozent der weltweiten IPOs und 19 Prozent der Erlöse verantwortlich. Auch für 2021 prognostiziert Josef Ritter, Co-Leiter des Aktienemissionsgeschäfts der Deutschen Bank, der Tech-, Pharma- und Medizinbranche großes Investoreninteresse.

Allein: Hierzulande hat sich der IPO-Markt 2020 schwach entwickelt. Insgesamt sind nur zwölf Unternehmen auf unterschiedlichen Wegen an die Börse gegangen. Neun in Frankfurt, acht in New York. Zum Vergleich: Im Spitzenjahr 1999 waren es 175 deutsche Unternehmen, die durch die Ausgabe von Aktien neue finanzielle Mittel einsammelten. Der erfolgreiche Börsengang von Auto1 könnte nach Einschätzungen von Experten aber zum Eisbrecher werden. Wegen der Kursschwankungen zu Beginn der Pandemie hätten einige Unternehmen ihre Börsenpläne vorerst auf Eis gelegt, erklärte Steinbach das schwache letzte Jahr. Der Experte ist aber zuversichtlich, dass sich das Geschäft im neuen Jahr belebt: „Wir rechnen mit einem Anstieg der IPO-Aktivitäten und mit zwölf bis 16 Börsengängen im Jahr 2021.“ Ritter blickt – mit Verweis auf das erfolgreiche Debüt von Auto1 – diesem Börsenjahr ebenfalls positiv entgegen, gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass mögliche IPOs vom gesamtwirtschaftlichen Umfeld sowie vom Aktienmarkt abhängen. „Bleiben beide so wie zur Zeit, können wir in Deutschland durchaus das Niveau des Jahres 2019 übertreffen, gleiches gilt auch für Europa“ – eine eher konservative Prognose, denn 2019 verzeichnete der Frankfurter Börsenplatz nur insgesamt sechs IPOs. Folgende Unternehmen könnten nach Einschätzung von Investmentbankern den Schritt auf das Börsenparkett wagen oder haben ihn bereits hinter sich:

Auto1

Den Berlinern ist ein imposanter Börsenstart gelungen. Die Anteilsscheine schossen gleich zu Handelsbeginn von dem Ausgabepreis von 38 Euro auf 55 Euro – ein Plus von 45 Prozent. Damit wurde Auto1, der Betreiber von „wirkaufendeinauto.de", mit 11,7 Milliarden Euro bewertet. Firmenchef und Mitgründer Christian Bertermann sagte: „Wir sind in den letzten Jahren sehr erfolgreich gewachsen, und der heutige Börsengang ist der Startschuss für die nächste Phase dieser unglaublichen Wachstumsgeschichte."
2019 wurden in Europa mit dem Verkauf von Gebrauchtwagen rund 600 Milliarden Euro umgesetzt – ein Markt mit riesigem Potenzial. Fungiert hat Auto1 bislang vor allem als Großhändler, Onlineverkäufe an Privatpersonen machten nur einen verschwindend geringen Teil – nämlich ein Prozent – des Gesamtumsatzes aus. Das will das Unternehmen jetzt ändern und mithilfe der Plattform „Autohero“ verstärkt Privatpersonen erreichen. Um die zum Verkauf stehenden Wagen ausfindig zu machen, brauchen die Berliner große Datensätze. Eigenen Angaben zufolge wertet das 2012 gegründete Unternehmen täglich fünf Millionen Daten aus und verfügt damit über die größte Datenbank für den Gebrauchtwagenhandel in Europa. Dies helfe, „die Genauigkeit unserer Preise und die Zusammensetzung unserer Angebote weiter zu verbessern," so das Unternehmen im Börsenprospekt.

About You

Der zur Otto Group gehörende Modehändler About You könnte rasch folgen. Wie das Manager-Magazin berichtete, möchte das Unternehmen unter CEO Tarek Müller schon im ersten Quartal 2021 aufs Börsenparkett. Der Onlinemodehändler selbst kommentiert die Gerüchte auf Medienanfragen nicht, wiederholt aber noch einmal, dass man die generellen Pläne eines Börsengangs ja bereits vor längerer Zeit erklärt habe. Das Timing wäre ein gutes. Denn About You profitiert von der Corona-Krise und dem damit verbundenen Schub des Onlinehandels. Man habe sehr schnell die Prozesse, Empfehlungen, die Logistik und zahlreiche weitere Stellschrauben anpassen müssen, dies aber auch gut geschafft, erklärte der 31-jährige Ausnahmemanager Müller. In der Branche genießt About You einen guten Ruf und gilt als besonders weit in Hinblick auf Zukunftstechnologien. Marktbeobachter erwarten, dass der Onlinehändler mit dem IPO rund 300 Millionen Euro erlösen und einen Marktwert von drei Milliarden Euro anstreben könnte.

N26

Ende des Jahres könnte Deutschlands wertvollstes Fintech, die Onlinebank N26, den Sprung aufs Parkett wagen. Zwar erteilte Gründer und CEO Valentin Stalf einem solchen Vorhaben vor kurzem eine recht eindeutige Absage, indem er auf die aktuell sehr guten Finanzierungsbedingungen außerhalb der Börse hinwies und einen IPO deshalb wohl frühestens in drei Jahren erwartet. Die Berliner haben mit der Allianz, Tencent, Earlybird, dem Staatsfonds GIC aus Singapur und Peter Thiel bereits starke Investoren und Partner an der Seite. Doch die Risikobereitschaft von Investoren war an den Märkten lange nicht so hoch wie derzeit. Ein Gang an die Börse macht aktuell in den meisten Fällen schnell und sicher die Kassen voll. Möglich also, dass Stalf seine Meinung noch ändert. Aktuell wird N26 mit 3,6 Milliarden US-Dollar bewertet. Gegründet hat Stalf das Start-Up 2013. Inzwischen arbeiten 1.500 Beschäftigte für das Unternehmen. Weltweit zählt N26 mehr als fünf Millionen Kunden. 2021 will man die operative Gewinnzone erreichen.

Vantage Towers

Schon als deutlich wahrscheinlicher gilt der Börsengang von Vantage Towers. Noch im ersten Halbjahr will Vodafone seine Funkturm-Tochter aufs Parkett ziehen. Bei einem erwarteten Unternehmenswert von rund 20 Milliarden Euro, könnte daraus sogleich einer der größten IPOs des Jahres werden. Der britische Mobilfunk-Riese erwartet sich Einnahmen von bis zu vier Milliarden Euro. Klappen könnte das vor allem wegen des Ausbaus von 5G-Verbindungen. Bis 2024 könnte deren Anteil in Europa von zwei auf 42 Prozent steigen. Gleichzeitig werden immer mehr Funklöcher gestopft und der Datenverkehr nimmt stetig zu. Mehr als 7000 neue Funktürme will Vantage Towers deshalb in den kommenden Jahren aufbauen. Ob es auch an der Börse hoch hinaus geht, muss sich noch zeigen.

Wintershall Dea

Auf eine zweistellige Milliardenbewertung kommt auch der Öl- und Gasproduzent Wintershall Dea. Das Unternehmen war 2018 aus dem Zusammenschluss von BASF-Tochter Wintershall und der zur russischen Investmentgesellschaft Letter One gehörenden Dea hervorgegangen. 2021 soll es nun mit dem IPO klappen. Im vergangenen Jahr hatten dies die infolge des Corona-Ausbruchs stark gesunkenen Ölpreise noch verhindert. Diesbezüglich hat sich das Marktumfeld inzwischen deutlich aufgebessert. Dennoch steht der Börsengang auch 2021 nicht unter den hellsten Sternen. Angesichts des rasant steigenden Interesses von Investoren an grünen und an ESG-Kriterien orientierten Anlagen, könnte der IPO eines konservativen Öl- und Gas-Explorers durchfallen. Die Zukunftsaussichten schließlich, sind in der Branche mindestens eingetrübt.

Synlab

Ganz im Gegenteil dazu stehen die Aussichten im Bereich der Medizin- und Labortechnik. Die Branche hat durch Corona einen ungeahnten Schub bekommen. Überhaupt boomt gerade gefühlt alles, was irgendetwas mit Healthcare zu tun hat. Entsprechend plant der Finanzinvestor Cinven den Börsengang von Synlab. Womöglich könnte es schon im ersten Halbjahr 2021 so weit sein. Ein Milliardenbewertung scheint auch hier wahrscheinlich. Synlab betreibt weltweit Über 400 Labore für Human- und Veterinärmedizin und geht aus den beiden Labordienstleistern Labco und Synlab hervor, die 2015 kurz hintereinander von Cinven Übernommen worden waren.

SuSe

Ähnliche Cinven will auch der schwedische Finanzinvestor EQT einen seiner Zöglinge loswerden. Der deutsche Linux-Distributor SuSe soll an die Börse. Die Schweden würden damit wohl ein gut gewähltes Investment vergolden. Ursprünglich für rund 2,5 Milliarden US-Dollar eingekauft, dürfte sich der Wert von SuSe inzwischen auf fast sechs Milliarden US-Dollar belaufen. Das liegt nicht zuletzt an der Pandemie, die dem Nürnberger Open-Source-Pionier, wie so vielen Software-Firmen, eine Sonderkonjunktur einbringt. Im vergangenen Jahr wuchs SuSe zweistellig, vor allem in Asien und Nordamerika brummte das Geschäft zuletzt. Gemessen an den Verhältnissen im deutschen Tech-Sektor wäre der SuSe-IPO durchaus beachtlich. Angesichts der aktuell hohen Bewertung gehen Experten davon aus, dass der Börsengang eher früher als später kommt. Die gute Anlegerstimmung in Bezug auf Technologiewerte will mitgenommen sein.

Novem

Apropos: Gut war die Stimmung unter Investoren zuletzt auch wieder mit Blick auf die Automobilindustrie. Die Elektromobilität wird mit dem Aufstieg Teslas zum wertvollsten Auto-Konzern der Welt ohnehin seit Monaten gefeiert. Doch auch bei den traditionellen Herstellern laufen die Geschäfte dank starker Nachfrage aus Asien viel besser als zunächst erwartet. Womöglich mit ein Grund, dass der Private-Equity-Investor Bregal den deutschen Innenraumdesigner Novem nun zügig auf Parkett schicken möchte. Die US-Bank JPMorgan Chase ist bereits als Begleiter mit an Bord. Die Bewertung könnte nach ersten Analystenschätzungen bei bis zu 1,5 Milliarden Euro liegen. Novem beliefert unter anderem Audi, BMW, Daimler, Porsche und Maserati. Die automobile Zukunft bietet interessante Wachstumsperspektiven. Ein hübsches Interieur will der Fahrer zunächst im Verbrenner genauso wie im E-Auto. Das autonome Fahren beschert der Innenausstattung womöglich einen zusätzlichen Bedeutungsgewinn. Eine neue Komfort-Lust könnte die Neigung zum Fahrspaß ablösen. Überdies boomt die Nachfrage nach Luxusgütern in der Pandemie weiter. Wer Premiummarken wie Porsche oder Maserati ausstattet, scheint da mittendrin in einem lukrativen Geschäft.

Check24

Börsenambitionen sagt man auch dem Vergleichsportal Check24 nach. Zwar gibt es bislang keine offizielle Bestätigung durch das Unternehmen, doch aus dem Umfeld ist zu hören, dass die Münchner einen möglichen Börsengang vorantreiben. Für Verbraucher ist der Service des Portals kostenlos, Check24 verdienen mit Provisionen. Beschleunigt durch die Corona-Pandemie schließen immer mehr Menschen Versicherungen online ab, dieser Trend dürfte sich fortsetzen und Wachstum bedeuten.

Oliver Götz und Florian Spichalsky

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