Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Märkte >

"Eine Rezession ist nicht mehr abzuwenden, das geht auch an den Banken nicht spurlos vorbei.“

Die Corona-Krise ist zunächst weitgehend glimpflich am Finanzsektor vorbei gegangen. Doch nun fürchten Banken, dass Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden können und ihnen deshalb Geld fehlt. Das hätte dramatische Folgen. Im exklusiven Interview mit der BÖRSE am Sonntag spricht der Vorstand der Deutschen Bundesbank Joachim Wuermeling über die Verfassung der Geldinstitute, erklärt, weshalb weitere Filialschließungen denkbar sind und warum die die aktuelle Situation nicht mit der Finanzkrise von 2008 verglichen werden darf.

Vorstand der Deutschen Bundesbank Joachim Wuermeling: " Vor allem besteht die Gefahr, dass Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden können" (Bild: Deutsche Bundesbank)

Die Corona-Krise ist zunächst weitgehend glimpflich am Finanzsektor vorbei gegangen. Doch nun fürchten Banken, dass Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden können und ihnen deshalb Geld fehlt. Das hätte dramatische Folgen. Im exklusiven Interview mit der BÖRSE am Sonntag spricht der Vorstand der Deutschen Bundesbank Joachim Wuermeling über die Verfassung der Geldinstitute, erklärt, weshalb weitere Filialschließungen denkbar sind und warum die die aktuelle Situation nicht mit der Finanzkrise von 2008 verglichen werden darf.

Die EZB hat die Banken aufgefordert, auf die Zahlungen von Dividenden mindestens bis zum 1. Oktober 2020 zu verzichten. Das gleiche gilt auch für den Rückkauf von Aktien. Gegenüber dem Handelsblatt haben Sie gesagt, dass Banken dieses Kapital später dringend brauchen könnten. Wird die Corona-Krise also auch das Finanzsystem belasten?

Eine Rezession ist nicht mehr abzuwenden, das geht auch an den Banken nicht spurlos vorbei. Vor allem besteht die Gefahr, dass Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden können. Zugleich steigt der Bedarf an Darlehen, wenn Unternehmen Einnahmen wegbrechen und Finanzmittel für ihre laufenden Ausgaben fehlen. Das sehen wir besonders in den stark betroffenen Sektoren wie Einzelhandel, Tourismus oder Gastronomie. Allerdings: Die Kapitalausstattung des deutschen Bankensektors ist solide. Hier macht sich bezahlt, dass wir nach der Finanzkrise im Jahr 2008 konsequent durchgegriffen haben. Das Eigenkapital ist heute doppelt so hoch wie damals. Banken und Sparkassen haben Risikopuffer aufgebaut, die für Situationen wie diese gedacht sind. Darauf können sie nun zurückgreifen.

Niemand kann sicher sagen, ob und wie Unternehmens-Kredite zukünftig zurückgezahlt werden können. Wie wollen Sie als Vorstand der Deutschen Bundesbank – dessen Aufgabe es ist, den Missständen im Kreditwesen entgegenzuwirken – die Stabilität weiterhin sicherstellen? 

Wir wollen jetzt drei Dinge erreichen: Erstens muss der Bankbetrieb weiterlaufen, damit Finanzflüsse nicht stocken. Deshalb haben wir die Banken temporär von vielen operativen Aufgaben wie zum Beispiel manchen Meldepflichten entlastet. So können sie sich auf das Krisenmanagement konzentrieren. Zweitens müssen weiter Kredite vergeben werden können. Dafür stellt die EZB Liquidität zur Verfügung und die KfW übernimmt Garantien. Drittens müssen die Banken aber solide bleiben. Wenn Risiken eingegangen werden, müssen sie für die Bank tragbar sein. Deshalb bleibt die Bonitätsprüfung seitens der Banken ein wesentliches Instrument, um Kreditausfälle zu vermeiden. Es wäre niemandem geholfen, wenn die Probleme von der Wirtschaft in den Bankensektor verschoben werden, sonst wird aus einer Wirtschafts- schnell eine Bankenkrise. Das wollen wir vermeiden.

Die bundeseigene Förderbank KfW sichert zum Teil nur 80 bis 90 Prozent der zugesagten Kredite. Wäre es nicht sinnvoll, der Bund würde für alle Notkredite zu 100 Prozent bürgen?

Das ist eine politische Entscheidung. Aber ich sage auch: Es ist die volkswirtschaftliche Aufgabe von Banken, Kredite zu vergeben und die damit verbundenen Risiken zu tragen. Auch dafür erhalten sie ja Zinsen. Gerade in schwierigen Zeiten müssen sich die Banken hier auch in die Pflicht nehmen lassen. Nachdem was ich sehe, ziehen die Banken mit.

Im Falle von Kreditausfällen könnten Banken mit Eigenkapitalauflagen bestraft werden. Unternehmen fürchten deshalb, dass Kreditgeber ihre Auflagen verschärfen. Die KfW könnte jetzt zusichern, dass sie Banken später nicht in Regress nimmt, oder?

Es ist nicht nur legitim, sondern aufsichtlich geboten, Kreditrisiken sorgfältig zu prüfen. Wenn Kredite nicht zurückbezahlt werden, verliert die Bank Geld und muss notfalls ihr Eigenkapital wieder aufstocken, damit sie den aufsichtlichen Anforderungen weiter genügt.
Die KfW kann nicht einfach nachträglich auf eine Eigenbeteiligung der Banken verzichten. Ich sehe die Banken hier selbst in der Verantwortung, für Stabilität zu sorgen. Es ist niemandem damit gedient, Darlehen zu bewilligen, die nicht zurückgezahlt werden können. Dann könnten der Staat und damit der Steuerzahler gleich Zuschüsse vergeben.

In Großbritannien haben die beiden größten Immobiliendarlehensgeber Barclays und Lloyd ihre Kriterien für Hypothekenkredite verschärft. Heißt: Kreditnehmer müssen mindestens 40 Prozent Eigenkapital vorweisen. Können wir damit auch in Deutschland rechnen?

Uns in der Aufsicht ist wichtig, dass die Kreditvergabestandards konservativ bleiben und die Banken eine auskömmliche Zinsmarge erwirtschaften. In den vergangenen Jahren haben wir beobachtet, dass die Banken ihre Vergabestandards für Wohnimmobiliendarlehen etwas gelockert haben, bislang aber nicht in einem kritischen Ausmaß.
Wie sich nun die Corona-Gegenmaßnahmen auf die Immobilienmärkte auswirken werden, ist zurzeit noch nicht absehbar. Dazu ist der Ausblick auf Konjunktur und Arbeitsmärkte mit zu großer Unsicherheit behaftet. Sie können sich aber darauf verlassen, dass wir die Entwicklungen im Blick behalten, insbesondere bei den Gewerbeimmobilien.

Seit Jahren drücken die Niedrigzinsen die Einnahmen der deutschen Banken. Außerdem leidet die Branche unter einem hohen Konkurrenz- und Digitalisierungsdruck – Verbraucher erledigen Bankgeschäfte im Internet. Viele ältere Menschen sind aber auf die Filialen angewiesen. Wird die Corona-Krise weitere Schließungen zur Folge haben?

Die Zahl der Banken und der Filialen in Deutschland sinkt seit Jahren, wir haben dazu gerade erst die Zahlen für das Jahr 2019 veröffentlicht. Dahinter stehen unternehmerische Entscheidungen. Sie haben den Wettbewerbsdruck und das veränderte Kundenverhalten angesprochen. Banken haben aber auch ein Interesse daran, allen Kundengruppen Zugang zu Bankdienstleistungen zu eröffnen.
In der aktuellen Situation sehen wir zusätzliche, temporäre Schließungen. Das erfolgt präventiv, weil Personal nur eingeschränkt zur Verfügung steht oder weil schlicht die Kunden fernbleiben. Die Banken sind aber weiterhin erreichbar – telefonisch, per E-Mail, per Chat. Einige Kunden mögen jetzt merken: Es geht auch anders. Das kann dazu führen, dass in Zukunft Filialen noch weniger genutzt werden.

Wie mulmig wird Ihnen, wenn Sie auf unseren EU-Partner Italien blicken?

Alle Länder stehen in dieser Krise vor großen Herausforderungen. Italien und Spanien, aber nicht nur diese EU-Staaten, sind von der Pandemie besonders schwer betroffen. Die Situation unserer europäischen Freunde und Partner macht mich sehr betroffen. In Italien zeigen die Daten aber zum Glück auch, dass die harten Maßnahmen wirken. Bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen hat auch die Bundesregierung deutlich gemacht, dass sie die Erholung der EU durch gemeinsame europäische Maßnahmen stützen wird. Ich bin der Überzeugung, dass alle Länder durch nationale Anstrengungen und durch europäische Solidarität aus der Krise kommen werden.

Ist diese Krise schlimmer als die Finanzkrise von 2008?

Die Situation heute ist ganz anders als 2008. Damals ging die Krise vom US-amerikanischen Finanzsektor aus und erfasste dann die Realwirtschaft. Heute haben wir es mit einem massiven Schock durch den Shutdown zu tun, der rasend schnell alle Wirtschaftssektoren erfasst hat. Wie schnell und wie stark dieser Schock auf die Banken übergreift, lässt sich heute nicht seriös vorhersagen. Entscheidend wird sein, wie schnell das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben wieder in Gang kommt.
Mit den Maßnahmen der Bundesregierung, der EZB und der Aufsicht sind jedenfalls umfassende Vorkehrungen getroffen worden, um eine neue Finanzkrise zu vermeiden. Wie bei der Eindämmung der Pandemie selbst gilt: Alle Beteiligten müssen weiter pragmatisch, konsequent und verantwortungsvoll handeln, um die Situation im Griff zu behalten. Als Aufsicht werden wir unseren Beitrag dazu leisten.

Das Gespräch führte Florian Spichalsky

Lesen Sie auch: Die DAX-Lieblinge der Analysten in Zeiten von Corona