Brexit verdirbt Bilanz bei Allianz-Tochter
Dax auf Rekordhoch, hohe Dividendenrenditen und die Rückkehr des Goldpreises: Es gab es schon schlechtere Zeiten für Klein- und Großanleger. Allianz Deutschland, der großen Tochter des größten deutschen Versicherungskonzerns, hat das nichts genützt. Dort hatte man im großen Stil gegen den Brexit gewettet. Jetzt kommt die Quittung: das Kapitalergebnis sinkt um zwölf Prozent.
Dax auf Rekordhoch, hohe Dividendenrenditen und die Rückkehr des Goldpreises: Es gab es schon schlechtere Zeiten für Klein- und Großanleger. Allianz Deutschland, der großen Tochter des Konzerns, hat das nichts genützt. Dort hatte man im großen Stil gegen den Brexit gewettet.
Alles wäre wohl weitaus besser bekommen, hätten die Briten im Juni so abgestimmt, wie das der Großteil der Auguren vorher erwartet hatten. Das Inselvolk hätte demnach für den Verbleib in der Europäischen Union (EU) sein Kreuz setzen müssen, dann wären das Pfund und der dortige Aktienmarkt weiter hoch im Kurs gestanden. Es kam bekanntlich anders. Und so fielen gerade zum Stichtag Ende des ersten Halbjahres die Verluste deutlich aus, ehe zuletzt zumindest im Leitindex FTSE-100 eine spürbare Erholung gelang.
Damit war das Kapitalanlageergebnis der deutschen Allianz-Tochter für das erste Halbjahr aber erst mal verdorben. Bei 6,8 Milliarden Euro und damit um satte zwölf Prozent unter dem Vorjahreszeitraum lag es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres. Das wurde am Dienstag bekannt. Abschreibungen waren bei den besonders gefallenen Werten der Grund, bei vielen anderen konnten zumindest nicht die Gewinne realisiert werden, die vorher noch möglich waren.
Allianz Deutschland-Chef Manfred Knof sieht die Situation vor knapp zwei Monaten dennoch nur als Episode ohne dauerhafte Konsequenzen. „Wir gehen davon aus, dass die Marktirritationen nur kurzfristig auftreten“, so seine Wertung. Dauerhaft werde sich das breit gestreute Investmentportfolio und die globale Ausrichtung bei den Anlagen durchsetzen.
Überraschend kam das deutlich rückläufige Kapitalanlageergebnis zwar nicht, schließlich hatte schon die Mutter – der Dax-Konzern Allianz SE – Anfang August von Abschreibungen von rund einer Milliarde Euro auf Aktien nach dem unerwarteten Brexit-Votum berichtet. Dennoch reagierten die Anleger ein weiteres Mal enttäuscht. Die Allianz-Aktie war mit rund 1,5 Prozent der größte Verlierer im deutschen Leitindex.
Brexit-Verluste sind nicht das größte Problem
Unglückliche Anlageentscheidungen mögen für die Deutschland-Tochter der Allianz nur ein temporäres Problem sein, viel langfristiger dürfte sich hingegen der Umbau hin zu einem neuen Kundenverständnis werden. Dem traditionellen Modell des Vertriebs über Mitarbeiter und Vermittler erwächst durch die zunehmende Digitalisierung der Branche immer größere Konkurrenz. Ähnlich wie im Einzelhandel oder in der Autoindustrie befinden sich auch die Versicherer in einer Art Sinnsuche. Stets mit der Frage vor Augen, auf welchen Kanälen der Kunde in Zukunft erreicht werden soll und was er dann wohl von seinem Versicherer erwartet.
Konkurrenz Ergo baut beispielsweise gerade sein underperformendes Vertriebsnetz um. 1 800 Mitarbeiter müssen wohl bald gehen, die meisten davon im Vertrieb. Dafür soll es dann neue Produkte geben, beispielsweise bei der Kfz-Versicherung. Auch deswegen haben sie gerade erst den nachgewiesenen Vertriebsprofi Harald Christ als Chef für diesen Bereich geholt.
Bei der Deutschland-Tochter der Allianz wissen sie natürlich auch um die künftigen Herausforderungen, die der digitale Wandel mit sich bringt. Den Posten eines sogenannten Chief Customer Officer haben sie deshalb mit Olaf Tidelski neu geschaffen. Der promovierte wirtschafts- und Sozialwissenschaftler ist schon seit 14 Jahren bei den Münchenern. Zuletzt war er Leiter des Leistungs- und Gesundheitsmanagements bei der privaten Krankenversicherung. Jetzt soll der 47-Jährige seinen Job konsequent von der anderen Seite denken, nämlich aus der Sicht der Kunden. Bei Prozessen, bei Strukturen und Services.
Manfred Knof muss etwas bieten, wenn er seinen Job sicher behalten möchte. Neue Apps soll es für den Kunden bald geben, beispielsweise für den Rundumblick über all seine Versicherungen oder als Leistungs-App für Krankenversicherte. Insgesamt 400 Millionen Euro soll die Neuausrichtung kosten. Viel Geld, damit der Spagat zwischen traditionellem Geschäftsmodell und den vielen Schritten in die digitale Welt auch gelingt. Einen zweiten Brexit darf es bei der Allianz Deutschland jedenfalls nicht geben. Handelsblatt / Christian Schnell