China setzt auf Wachstum
Noch bis zum 16. März tagt in Peking das größte Parlament der Welt: der Nationale Volkskongress. In der Großen Halle des Volkes beraten sie über einen neuen Fünfjahresplan. Das wird ein langfristiger Fahrplan für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Das Interesse an den globalen Kapitalmärkten ist entsprechend groß. Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, analysiert: Was ist zu erwarten?
Noch bis zum 16. März tagt in China das größte Parlament der Welt: Aus allen Teilen des Landes sind knapp 3.000 Delegierte zur jährlichen Sitzung des Nationalen Volkskongresses nach Peking gereist. In der Großen Halle des Volkes beraten sie über einen neuen Fünfjahresplan, der den zukünftigen Weg von Chinas Wirtschaft vorzeichnen wird. Da es sich dabei um den langfristigen Fahrplan für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt handelt, ist das Interesse an den globalen Kapitalmärkten entsprechend groß.
Von Ulrich Stephan
Die bisher getroffenen Entscheidungen brachten wenig Überraschungen. So wurde das Wachstumsziel für das laufende Jahr wie erwartet auf 6,5 bis 7 Prozent festgesetzt. Dabei ist zu beachten, dass es sich nicht um eine bloße Prognose, sondern um eine konkrete Zielvorgabe handelt. Dadurch dürften in den kommenden Jahren entsprechend große Anstrengungen seitens der chinesischen Regierung unternommen werden, um diese Ziele auch tatsächlich zu erreichen. So verwundert die beschlossene Ausweitung der Geldmenge nicht: Statt um zwölf Prozent wie im vergangenen Jahr soll sie 2016 um 13 Prozent anwachsen. Auch die Erhöhung der staatlichen Investitionen dürfte der Wirtschaft neue Impulse geben. Entsprechend wird eine Ausweitung des Staatsdefizits von 2,3 Prozent im vergangenen Jahr auf 3,0 Prozent anvisiert.
Weitere geldpolitische Lockerung erwartet
Massive fiskalische oder geldpolitische Stützungsmaßnahmen vonseiten der Regierung seien nach Aussage von Ministerpräsident Li Keqiang nicht zu erwarten. Jüngste Entwicklungen sprechen hier jedoch eine andere Sprache: Das Volumen der von China ausgegebenen Anleihen nahm zuletzt deutlich zu. Außerdem wurde der Mindestreservesatz der Banken erneut um 50 Basispunkte gesenkt, um ihre Kreditvergabe anzukurbeln. Das spricht nach Ansicht der Deutschen Bank insgesamt sehr wohl für eine weitere fiskal- und geldpolitische Lockerung. Dementsprechend geht die Deutsche Bank davon aus, dass das Haushaltsdefizit sogar noch höher ausfallen könnte als von der chinesischen Regierung geplant und im Jahr 2016 eher 4,0 Prozent betragen dürfte. Gleichzeitig könnte die Geldmenge statt um 13 sogar um 14 Prozent zunehmen.
Auch beim Thema Staatseinnahmen weicht die Prognose der Deutschen Bank von den offiziellen Erwartungen ab: Etwas unerwartet gab die chinesische Regierung bekannt, dass sie 2016 nur noch mit einem Wachstum von 3,0 Prozent rechnet, nach 5,8 Prozent im vergangenen Jahr. Die Deutsche Bank geht jedoch von einem Anziehen der Landverkäufe – mit denen rund drei Viertel der Einnahmen generiert werden – um 10 Prozent und dementsprechend einem Haushaltsplus von insgesamt 3,8 Prozent.
Keine Hinweise auf Währungsliberalisierung
Besondere Beachtung verdient letztlich die Entscheidung des Nationalen Volkskongresses, zunächst auf eine weitere Liberalisierung des Kapitalverkehrs zu verzichten. Noch im vergangenen Jahr stand dieser Aspekt zeitweise im Zentrum der chinesischen Bemühungen hinsichtlich der Internationalisierung der eigenen Währung Renminbi. Da ein solches Vorgehen jedoch Wachstum kosten kann, geht die Deutsche Bank davon aus, dass das Tempo der Reformbemühungen mittelfristig etwas gedrosselt werden könnte. Hinweise darauf gab es bereits in den vergangenen Wochen: Um die Währung zu stabilisieren, hat die chinesische Zentralbank People’s Bank of China (PBoC) zuletzt unter anderem die Regeln für Kapitalabzüge wieder verschärft. Die PBoC agiert dabei im Spannungsfeld zwischen einer Stabilisierung der Währung und der wirtschaftlichen Stimulierung durch eine lockere Geldpolitik – ebenso wie der Regierung der Spagat zwischen weiteren Reformen und ihren Wachstumszielen gelingen muss.
Chinas Strukturwandel geht weiter
Insgesamt dürfte China mit den jüngsten Entscheidungen des Nationalen Volkskongresses – trotz einiger Überraschungen – seinen Weg des Wandels fortsetzen. Dass der Umbau der chinesischen Volkswirtschaft hin zu mehr Binnenkonsum und Dienstleistungen voranschreitet, zeigt sich symbolisch auch daran, dass – anders als in den Jahren zuvor – keine Zielvorgaben mehr für die Export- und Importquoten gemacht werden. Da diese Zahlen stark vom globalen Umfeld abhängen und von der chinesischen Regierung nicht zu steuern sind, scheint man sich nun verstärkt den Bereichen zuwenden zu wollen, die der eigenen Kontrolle unterliegen.
Dr. Ulrich Stephan ist Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.