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ThyssenKrupp: Raus aus der Krise

ThyssenKrupp profitiert von seinem Sparprogramm und übertrifft die Erwartungen der Experten. Das freut die Börsianer. Die Aktie des DAX-Konzerns gehörte diese Woche zu den Topwerten – der Einstieg könnte sich trotzdem noch lohnen.

BÖRSE am Sonntag

ThyssenKrupp profitiert von seinem Sparprogramm und übertrifft die Erwartungen der Experten. Das freut die Börsianer. Die Aktie des DAX-Konzerns gehörte diese Woche zu den Topwerten – der Einstieg könnte sich trotzdem noch lohnen.

Krise? Welche Krise? Als ThyssenKrupp diese Woche die jüngsten Geschäftszahlen vorlegte, war von der Talfahrt der vergangenen Jahre nicht mehr viel zu spüren. Der Stahl- und Technikkonzern hat seine operativen Zwischenziele im zweiten Quartal und insgesamt im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2014/2015 erreicht und die Prognose für das Gesamtjahr angehoben. Im Berichtszeitraum konnten Umsatz sowie das bereinigte Ebit, also das Ergebnis vor Zinsen und Steuern, zum Teil deutlich gesteigert werden. „Unsere Maßnahmen zur Performance-Verbesserung greifen und wir kommen beim Konzernumbau voran. Die weitere Ergebnisverbesserung spiegelt unsere stärkere Leistungsorientierung wider“, verkündete ThyssenKrupp Vorstandschef Heinrich Hiesinger nicht ohne Stolz.

Der DAX-Konzern steigerte sein um Sondereffekte bereinigtes Ebit im ersten Halbjahr um 31 Prozent auf 722 Millionen Euro. Das zweite Quartal hat dazu mit 405 Millionen Euro beigetragen. Damit übertrag Thyssen-Krupp deutlich die Erwartungen der Analysten. Besonders stark waren die Fortschritte in der europäischen Stahlsparte. Dieser Konzernteil verbesserte sein operatives Ergebnis von 64 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum auf 113 Millionen Euro. Dies ist vor allem den Kostensenkungen zu verdanken. Die Schwerindustrie hat mit Überkapazitäten und Preisdruck zu kämpfen. Darüber hinaus sorgt die Aufzugssparte des Konzerns für gute Stimmung.

Der Auftragseingang werde im Wesentlichen von positiven Wechselkurseffekten und einer gestiegenen Nachfrage im Neuanlagengeschäft speziell in den USA getragen und erzielte im ersten Halbjahr einen Anstieg von elf Prozent auf 3,8 Milliarden Euro von 3,4 Milliarden im Vorjahr. „Elevator Technology hat seinen Rekordkurs fortgesetzt und neue Spitzenwerte bei Auftragseingang und Auftragsbestand erreicht. Auftragseingang und Umsatz konnten sowohl im ersten Halbjahr als auch im zweiten Quartal gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum zweistellige Zuwachsraten erzielen“, teilte Thyssen-Krupp mit.

Erwartungen nach oben geschraubt

Angesichts der Fortschritte im operativen Geschäft und der sich stabilisierenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat ThyssenKrupp den Ausblick für die Geschäftsentwicklung im Gesamtjahr 2014/2015 angehoben: Der Vorstand erwartet nun einen deutlichen Anstieg des Bereinigten Ebit auf 1,6 bis 1,7 Milliarden Euro. Zuvor hatte man einen Wert von 1,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Der Konzernumsatz soll auf vergleichbarer Basis im einstelligen Prozentbereich wachsen. Für den Jahresüberschuss erwartet der Vorstand ebenfalls eine deutliche Verbesserung – im Vorjahr waren es 195 Millionen Euro gewesen. Allerdings läuft es nicht überall rund. Im schon länger kriselnden amerikanischen Stahlgeschäft schreibt der Industrieriese weiterhin Verluste. Die Netto-Finanzschulden des Gesamtkonzerns erhöhten sich im Berichtshalbjahr um knapp eine Milliarde Euro auf 4,6 Milliarden Euro. Grund für den Anstieg sind im Wesentlichen der negative Free Cash Flow sowie hohe Währungseffekte.

Dennoch: Die Essener sind weiterhin auf Konsolidierungskurs. Haupttreiber dieser Verbesserung war nach Unternehmensangaben die erfolgreiche Umsetzung der Effizienzsteigerungsmaßnahmen. ThyssenKrupp ist offenbar gerade dabei, eine der schwersten Krisen in der über 200-jährigen Unternehmensgeschichte hinter sich zu lassen. Die guten Nachrichten kamen bei den Börsianern gut an. Von den 30 DAX-Unternehmen lag der Titel hinsichtlich seiner Performance diese Woche mit einem Plus von 4,08 Prozent auf Rang zwei, gleich hinter der Lufthansa, die nur minimal besser performte. Die Aktie notiert derzeit bei rund 26 Euro – das sind rund 20 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Die für Anleger wichtigste Frage ist: Kann der Konzern die Erwartungen abermals übertreffen und führt der Weg tatsächlich endgültig aus der Krise? Ein Großteil der Analysten stuft das Papier entweder mit „Halten“ oder „Kaufen“ ein. Für das Analysehaus Jefferies ist ThyssenKrupp ein Kauf. Ihr Kursziel liegt bei 30 Euro. Der Essener Konzern komme weiterhin gut voran. Denn der zyklische Bereich Materials profitiere von einer anziehenden Stahlnachfrage in Europa und das defensive Investitionsgütergeschäft verzeichne allmählich wieder Gewinnwachstum. Auch beim Free Cashflow gebe es Verbesserungen. Die Experten rechnen in den kommenden Jahren mit steigenden Ausschüttungen an die Aktionäre.

Daumen der Analysten zeigen nach oben

Die französische Bank Société Générale sieht den künftigen Kurs sogar bei 33,50 Euro. Der Stahlkonzern habe für die ersten sechs Geschäftsmonate eine starke Bilanz vorgelegt. Von der zuletzt guten Entwicklung im Stahlgeschäft hänge es ab, ob das Unternehmen sich nun auf die Nicht-Stahlaktivitäten konzentrieren und dort weiteren Wert schöpfen könne. Nicht ganz so zuversichtlich sind die Analysten von Warburg Research, die das Kursziel bei 26 Euro sehen und das Papier mit „Halten“ einstufen. Die Margen des Industrie- und Stahlkonzerns hätten sich zwar im europäischen Stahlgeschäft im zweiten Geschäftsquartal überraschend stark erholt. Das Aufwärtspotenzial der Aktie sei aber begrenzt.

Eine andere Nachricht, die diese Woche die Runde machte, könnte nicht nur der Aktie der Essener, sondern der ganzen Branche in Europa Auftrieb verleihen. Die EU-Kommission prüft derzeit Vorwürfe: Chinesische und russische Stahlhersteller sollen bestimmte flachgewalzte Erzeugnisse aus Eisen und Stahl unter Wert verkauft haben. Das ging aus einer Bekanntmachung im EU-Amtsblatt hervor. Falls die Brüsseler Behörde die Anschuldigungen erst einmal bestätigt sieht, kann sie vorläufige Strafzölle beschließen. Grund der Ermittlungen ist eine Beschwerde des europäischen Stahlverbandes Eurofer vom 1. April. Der Verband beklagte sich im Namen von einheimischen Herstellern über die seiner Ansicht nach unfaire Konkurrenz.

Die Prüfung des Dumping-Verdachts durch die EU habe den Stahlaktien in ganz Europa einen kräftigen Schub verliehen, meint Colin Sheridan von Davy Research. Unabhängig davon, ob nun Strafzölle letztlich verhängt würden oder nicht, habe der Schritt eine sofortige positive Auswirkung auf die europäischen Stahlhersteller. „Die Kunden werden nun vorsichtig sein beim Handeln mit Importen, da nun das Risiko künftiger Strafzölle droht“, so der Analyst. Der lange Atem, den Thyssen-Chef Hiesinger in den letzten Jahren beweisen hat – er könnte sich nun auszahlen.