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Dax-Schwankungen: Kommt der Crash?

Einen solch heftigen Kursrücksetzer wie in der vergangenen Woche mussten die Börsianer lange nicht mehr verdauen. Um mehr als drei Prozent stürzte der Dax am Mittwoch ab, am Donnerstag gab es nicht wirklich Entwarnung. Die Nervosität am Markt ist riesig. Kracht es an den Börsen munter weiter oder sehen wir bereits bald Kaufkurse?

BÖRSE am Sonntag

Einen solch heftigen Kursrücksetzer wie in der vergangenen Woche mussten die Börsianer lange nicht mehr verdauen. Um mehr als drei Prozent stürzte der Dax am Mittwoch ab, am Donnerstag gab es nicht wirklich Entwarnung. Die Nervosität am Markt ist riesig. Kracht es an den Börsen munter weiter oder sehen wir bereits bald Kaufkurse?

Da brauchten selbst die hartgesottensten Anleger starke Nerven. Binnen weniger Stunden rauschte der deutsche Aktienindex (Dax) am gestrigen Mittwoch fast 400 Punkte in den Keller. Der Auslöser für den Absturz waren enttäuschende US-Wachstumszahlen, in deren Folge der Euro zum Höhenflug ansetzte und die Kurse der Bundesanleihen abstürzten. Besonders heftig aber erwischte es den Dax. Nur raus aus dem Markt, lautete die Devise. Börse extrem. „Da kam einiges zusammen, doch die Reaktion war übertrieben“, sagt Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. „Viele Vermögensverwalter haben die Nervosität am Markt genutzt, um ein paar Gewinne mitzunehmen.“ Auch Loys-Fondsmanager Christoph Bruns mahnt zur Besonnenheit: „Am großen Börsenbild hat sich herzlich wenig geändert. Im Gegenteil.“ Er ist überzeugt, dass die Zinsen viel länger an der Nulllinie bleiben werden, als die meisten Anleger sich vorstellen könnten. „Insofern bleiben Aktien völlig alternativlos und der Rückschlag dürfte eher eine Kaufgelegenheit sein.“ Wenn man bedenke, wie gering die Aktienbesitzquoten derzeit seien, dann müsse man stark damit rechnen, dass die Korrektur zu Käufen auf erniedrigtem Niveau genutzt werden wird. „Der größte Kurstreiber bleibt die Verzweiflung der Anleger angesichts der kümmerlichen Zinsen“, ergänzte Ralf Zimmermann, Aktienstratege beim Bankhaus Lampe.

Am Donnerstag trauen sich die Marktteilnehmer aber noch nicht so recht aus der Deckung. Zu groß ist die Unsicherheit nach dem Absturz. Andere Länderindizes hatten am Vortag übrigens viel verhaltener reagiert als das deutsche Vorzeigebarometer. „Der Dax besitzt eine Historie der Überreaktion verglichen mit anderen Indizes“, so Bruns. Das liege daran, dass die deutschen Standardwerte überwiegend im Besitz ausländischer Investoren seien. Und die zögen ihr Geld schneller mal ab, als heimische Investoren. Erst recht, wenn der Euro steigt. Habe in den vergangenen Monaten nämlich vor allem der schwache Euro dafür gesorgt, dass Geld aus dem Dollar-Raum in europäische und vor allem deutsche Aktien floss, dominiere nun die Angst – dieser Kurstreiber falle weg. Der Euro hatte seit Jahresbeginn zeitweise mehr als 15 US-Cent eingebüßt und war in Richtung Parität unterwegs. Der Dax hatte seit Jahresbeginn rund 20 Prozent zugelegt, auf der anderen Seite des Atlantiks sind Dow Jones und S&P 500 dagegen kaum vom Fleck gekommen. Somit hielt sich dort auch die Enttäuschung bei US-Anlegern über die schwachen Wirtschaftsdaten in Grenzen, da sie das Ende der Dollar-Rally und neuen Schwung für die US-Märkte bedeuten könnten. Einen Vorgeschmack darauf, gab es in diesen Tagen. Am Mittwoch stieg der Euro um rund zwei Cent in der Spitze auf 1,1188 US-Dollar. Am heutigen Donnerstag stieg die Gemeinschaftswährung dann weiter auf mehr als 1,12 Dollar.

Doch nicht nur der wieder erstarkte Euro hatte zu einer Flucht aus deutschen Aktien geführt. Mancher Marktteilnehmer orakelte ob der enttäuschenden US-Wirtschaftszahlen sogar, die Fed könne die Zinserhöhung weiter hinauszögern. Die US-Notenbank hat sich allerdings am Mittwochabend von den zuletzt schwachen Konjunkturdaten recht unbeeindruckt gezeigt und die Tür für eine Leitzinserhöhung in diesem Jahr offen gelassen. Entscheidend sei die weitere Konjunkturentwicklung. „Von Signalen, dass die Fed durch die jüngst schwachen Daten verunsichert sein könnte, ist aber auch nichts zu sehen“, kommentierte Devisenexperte Lutz Karpowitz von der Commerzbank. Auch Halver glaubt nicht, dass die Zinserhöhung in den USA noch sehr lange auf sich warten lässt. „Ich glaube, dass die US-Wirtschaft ein wunderbar robustes zweites Quartal hinlegen wird“, sagt er. „Und dann ist die Zinswende wieder in aller Munde, auch wenn sie sich letztendlich als Zinswendchen entpuppen wird. Und auch die EZB macht natürlich weiter mit ihrem Anleihekaufprogramm.“

Ein harter Crash bleibt unwahrscheinlich

Gute Argumente für ein Aufstocken der Aktienquote liefert auch Andreas Grünewald, Gründer und Vorstand der Münchner Vermögensverwaltung FIVV. Die weiterhin starke Nachfrage aus Asien  gepaart mit niedrigen Zinsen – auf der einen Seite können sich Unternehmen zu historisch günstigen Konditionen refinanzieren, auf der anderen Seite suchen Anleger händeringend nach Anlagealternativen – gesunkenen Energiepreisen und relativ günstiger Bewertung ist nach seiner Einschätzung ein gutes Umfeld für die Aktienanlage. Der Dax sei mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15 nicht zu teuer und die Dividendenrendite mit mehr als drei Prozent sehr ordentlich.

Für die Experten kam der Rücksetzer übrigens nicht überraschend. „Nach der Rally der vergangenen Wochen musste mal Luft aus dem Markt, das war abzusehen“, sagt Robert Halver. „Eine Crash-Gefahr sehe ich aber überhaupt nicht und ich glaube auch nicht, dass ‚Sell in May‘ in diesem Jahr die richtige Strategie ist“. Eher würden Anleger schwache Kurse für Käufe nutzen. „Aber es wird sicher noch ein wenig ruckeln an den Märkten“, sagt Halver. „Denn wir diskutieren über Grexit, Brexit und amerikanische Anleger, die den zwischenzeitlich starken Euro auch zum Anlass nehmen, Gewinne zu sichern.“  Trotzdem bleibt der große Trend stabil. „Insgesamt kann ich keinen nachhaltigen Strukturbruch erkennen, der die bisherigen Marktbedingungen beendet“, sagt Halver.

Einen erneuten Ausverkauf, der den Dax diesmal in Richtung 11.000 Punkte drücken könnte, hatte Stephan Heibel vom Analysehaus Animus X prognostiziert. Ein Ausverkauf würde seiner Meinung schneller die unsicheren Hände aus dem Markt schütteln und damit die Grundlage für wieder steigende Kurse sorgen. Schneller als ein wiederholt zielloses Pendeln in der Handelsspanne von rund 800 Punkten. Heibel würde diese Konsolidierungsphase zum Aufstocken der Aktienpositionen nutzen. Denn sowohl die konjunkturellen Entwicklungen als auch Liquiditätsmaßnahmen wirken seiner Meinung nach positiv und bestätigen den Dax auf dem aktuell hohen Niveau. „Eine anhaltende Korrekturphase fürchte ich derzeit nicht“, sagt der Sentiment-Experte. „Ein harter Crash bleibt unwahrscheinlich, solange die globale Wirtschaft wächst und nicht schrumpft und solange die Fed nur extrem zögerlich die Zinsen erhöhen will.“ Fliege Griechenland allerdings aus dem Euro, dürfte der Dax sichtbar unter 1.000 Punkte fallen - aber wahrscheinlicher sei in irgendeiner Form ein weiteres Durchwursteln. „Der Dax kann durchaus auf 11.000 fallen, aber dann dürften wieder Käufer auf den Markt treten.“

Handelsblatt / Jessica Schwarzer

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