Der DAX im Banne Griechenlands
Zurzeit bewegt sich der DAX eindeutig in politischem Fahrwasser. Im Sekundentakt reagieren Marktteilnehmer auf Meldungen, Gerüchte sowie berufene und unberufene Äußerungen zu Griechenland. Zwar gilt die Börsenweisheit immer noch, dass politische Börsen kurze Beine haben. Bei länger schwelenden Krisen können die Auswirkungen allerdings auch entsprechend länger andauern.
Zurzeit bewegt sich der DAX eindeutig in politischem Fahrwasser. Im Sekundentakt reagieren Marktteilnehmer auf Meldungen, Gerüchte sowie berufene und unberufene Äußerungen zu Griechenland. Zwar gilt die Börsenweisheit immer noch, dass politische Börsen kurze Beine haben. Bei länger schwelenden Krisen können die Auswirkungen allerdings auch entsprechend länger andauern.
Vor diesem Szenario treten dann fundamentale wirtschaftliche Daten, die die Kurse auf lange Sicht bestimmen, in den Hintergrund. Mehr Klarheit verschafft in einer solchen Situation oft ein Blick auf den Chart als Spiegel der Anlegerpsychologie.
Dynamische Aufwärtsbewegung passé
Zum Jahresbeginn startete beim deutschen Leitindex eine dynamische Aufwärtsbewegung bis zum vorläufigen Jahreshoch bei 12.391 Punkten, das am 10. April erreicht wurde. Danach etablierte sich eine Tradingrange in einem abwärts gerichteten Trendkanal (s. Chart). Unterstützung bietet momentan die von vielen – gerade auch von langfristig agierenden – Investoren beachtete 200-Tage-Linie, die momentan bei 10.604 Punkten verläuft. Wird sie nachhaltig nach unten durchbrochen, müssten Anleger mit weiteren Kursverlusten rechnen. Diese Kursverluste könnten dann auch deutlich ausfallen. Daraus resultiert zwangsläufig die Frage, wo sich die nächste Unterstützung befindet. Sie ist an den Hochs vom Dezember vorigen Jahres bei knapp 10.100 Punkten auszumachen. Unter dem Strich ergäbe sich also zunächst ein mögliches Verlustpotential von 500 Punkten.
Ein weiterer Blick auf die momentane 200-Tage-Linie lohnt. Interessanterweise verläuft die momentane untere Begrenzung des Trendkanals bei 10.621 Punkten und damit fast exakt auf Höhe der 200 Tage-Line. Das verstärkt die Bedeutung speziell dieses Kursniveaus. Anleger sollten aber auch die Unterstützung bei 10.800 Punkten von Mitte Juni im Auge behalten, von dem aus sich die Kurse jüngst kurzfristig, aber deutlich nach oben bewegt haben.
Widerstände in Sichtweite
Falls die Bullen wieder die Führung übernehmen, warten die nächsten bedeutenden Widerstände bei 11.465/11.492 Punkten. Hier befindet sich die obere Begrenzung des Abwärtstrendkanals. Zudem verläuft dort die sinkende 55-Tage-Linie. Im Idealfall für die Optimisten sollten die 11.500 DAX-Punkte mit hohen Umsätzen nach oben durchbrochen werden. Damit würde neuen Jahreshochs nichts im Wege stehen. Da wir uns in den Sommermonaten in einer saisonal eher mauen Börsenphase befinden, kann es allerdings durchaus sein, dass mit neuen Jahreshochs erst im letzten Quartal zu rechnen ist. Die Börsenweisheit „sell in May and go away – but remember to come back in September“ könnte sich auch in diesem Jahr beim DAX bewahrheiten. Langfristige Erfahrung sprechen also eher dafür, dass die Optimisten Geduld brauchen.
Für die Bullen spricht, dass der Markt bei schlechten Nachrichten zwar mit Kursverlusten reagiert, sich aber keine ausufernde Panik breitmacht. Das war zu beobachten als der DAX auf Tagessicht gut 400 Punkte abgegeben hat, nachdem klar war, dass Griechenland vor Fälligkeit der Schuldenrate Ende Juni keine Einigung mit seinen Gläubigern erzielt. Eine Umfrage der Behavioral Finance-Experten von sentix, die am 28. Juni erhoben wurde, deutet ebenfalls darauf hin, dass am Aktienmarkt keine Panik herrscht. Auf unterschiedlichen Zeitebenen ergibt sich bei den Befragten ein differenziertes Bild. Kurzfristig sehen Anleger Aktien aus Euroland eher schwächer, auf Sicht von drei bis sechs Monaten werden allerdings steigende Notierungen erwartet.
Übergeordnete Zeitebene
Auf Tagesbasis zeigt der technische Indikator MACD, der aus der eigentlichen MACD-Linie und einem Trigger besteht, fallende Kurse an. Die MACD-Linie hat nämlich aktuell die Signal-Linie von oben nach unten durchstoßen. Allerdings ist der Indikator auf Tagesbasis anfällig für Fehlsignale. Wenn Anleger im Tages-Chart handeln, ist es sinnvoll, noch eine zweite übergeordnete Zeitebene, also den Wochenchart, zu Rate zu ziehen. Auf Wochenbasis gibt der MACD häufig zuverlässigere Signale. Hier hat der Indikator bereits seit dem 8. Mai fallende Kurse signalisiert. Der RSI, mit dem sich extreme Marktphasen bestimmen lassen, befindet sich gegenwärtig mit einem Wert von 43,5 auf Tagesebene in einer neutralen Zone. Damit ist der DAX weder überkauft (Werte über 70) noch überverkauft. Darauf würden Werte unter 30 hinweisen. Auf der Wochenebene gibt es ebenfalls keine Hinweise auf eine Extremphase, bei der der Anleger möglicherweise mit einer heftigen Gegenbewegung rechnen müsste. Das bedeutet, dass in der aktuellen Situation kurzfristig weitere Kursverluste anstehen könnten.
Fazit
Charttechnik ist nicht die berühmte Glaskugel mit Gewinn-Garantie. Dennoch kann sie Investoren helfen, spätestens an charttechnisch wichtigen Marken notfalls die Reißleine zu ziehen, wenn sich der Basiswert in eine andere als die gewünschte Richtung entwickelt. Das wahrscheinlichste Szenario für den DAX aus aktueller Sicht ist ein Rückgang bis auf etwa 10.600 Punkten. Falls der Index an dieser Kursmarke nicht nach unten wegbricht, sollte eine Erholung bis an die obere Begrenzung des momentan abwärts gerichteten Trendkanals beziehungsweise bis an die 55-Tage-Linie erfolgen. Ob es danach weiter nach oben geht, ist völlig offen – und spätestens hier werden die Ereignisse außerhalb der Börsensäle die Richtung vorgeben. Akropolis und Atomium sollten nicht außer Sicht geraten. Sicher ist dagegen eines: Bei einem deutlichen Unterschreiten von 10.600 Punkten ist große Vorsicht geboten. Wer auf Gewinne setzt, sollte dann an die Reißleine denken; tradingorientierte Anleger dürfen getrost auf weitere Verluste setzen.