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Der Wunschtraum vom Autopilot

Im vergangenen Oktober hat Tesla die „Beta-Version“ seines Autopiloten ausgerollt. Nach mehreren Unfällen stellt sich die Frage, ob der Elektro-Pionier wirklich technologisch vorausfährt. Das behauptet nach wie vor Elon Musk, der sich einen Nimbus verschafft hat wie einst der Lichtgott Mithras. Hat er seinen Kunden, die sich teils fast wie Gläubige gebärden, zu viel versprochen? Die Zweifler scheinen sich zu mehren, und pünktlich kommt Elon Musk mit einer neuen „Super-News“ um die Ecke.

BÖRSE am Sonntag

Im vergangenen Oktober hat Tesla die „Beta-Version“ seines Autopiloten ausgerollt. Nach mehreren Unfällen stellt sich die Frage, ob der Elektro-Pionier wirklich technologisch vorausfährt. Das behauptet nach wie vor Elon Musk, der sich einen Nimbus verschafft hat wie einst der Lichtgott Mithras. Hat er seinen Kunden, die sich teils fast wie Gläubige gebärden, zu viel versprochen?

Elon Musk ist bekannt für seine Vorliebe, Nachrichten via Twitter zu versenden. Gerne nutzt der Tesla-Chef den Kurznachrichtendienst, um der Welt wieder einmal vermeintlich große Neuigkeiten beim Elektroauto-Pionier Tesla anzukündigen. Diesmal ist es die Geschwindigkeit. Tesla hat ab jetzt eine Batterie, die mit 100 Kilowattstunden elf Prozent leistungsstärker als das Vorgängermodell ist. Tesla-Autos, in denen das Energiebündel Strom spendet, heißen P100D-Modelle.

Die neue Superbatterie wird natürlich von SolarCity produziert, einer höchst defizitären Firma, die ebenfalls Musk gehört. Den 100-KW-Block gibt es für die Elektrolimousine Model S und den Geländewagen Model X. Dabei steht das P für Performance und D für dualen Motor. Die neue Technik lässt das Model S von Null auf 100 Kilometer pro Stunde in 2,5 Sekunden beschleunigen, das Model X in 2,9 Sekunden. Damit sind sie laut Musk die „schnellsten Autos in Serienproduktion in der Welt“. Für ihn sei das ein „profunder Meilenstein“ und ein Zeichen, dass „elektrischen Autos die Zukunft gehört“.

Ablenkung von der Autopiloten-Krise

Analysten und Beobachter zeigen sich von der neuen Nachricht wenig beeindruckt. Zumal es sich gar nicht um das schnellste Autos handelt, sondern um das am schnellsten beschleunigende. Aber wen stören schon solche Kleinigkeiten, wenn es um den Glauben an die schöne neue Autowelt geht? Doch die ist eigentlich ganz schön kaputt. Die Berichte über Unfälle von Tesla-Autos im Autopilot-Modus häufen sich. Der Hersteller muss sich die Frage gefallen lassen, ob er seine „Beta-Version“ zum teilautonomen Fahren seinen Kunden viel zu früh und damit fahrlässig bereitgestellt hat.

Die Bezeichnung „Beta-Version“ bedeute nicht, dass Teslas Technik zum autonomen Fahren nicht ausgereift sei, verkündete Musk über Twitter. Die Öffentlichkeit habe den Begriff schlicht missverstanden. Kein Wunder, steht „Beta“ in der Tech-Branche doch zumeist für unfertige Software. Nicht so bei Tesla, wenn man Musk glauben mag. Der Hersteller habe den eigenen Autopiloten nur mit dieser Bezeichnung versehen, „um für die, die sich entscheiden, es zu nutzen, zu betonen, dass es nicht perfekt ist“, schrieb Musk weiter. Zur Perfektion fehlten noch haufenweise Daten, die man wohl erst nach „einer Milliarde gefahrener Meilen“ gesammelt habe.

Bis Anfang Juli konnte Tesla allerdings nur auf einen Erfahrungsschatz von rund 130 Millionen gefahrenen Meilen (gut 200 Millionen Kilometer) zurückgreifen. Dennoch fallen die Kalifornier als der Autobauer auf, der die Technologie am offensivsten anpreist. Genau das wird den Amerikanern derzeit zum Problem, meint Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM).

Tesla fehlen wichtige technische Fähigkeiten

Derzeit ist Teslas Model S mit einer Kamera und einem Radarsensor an der Front, einer zusätzlichen kleinen Kamera vorn und hinten sowie sechs Ultraschall-Sensoren an Front und Heck ausgestattet. Genug, um selbstständig den Abstand zu halten, zu beschleunigen und zu bremsen oder die Spur zu wechseln, aber längst noch kein Autopilot. Im Wettbewerbsvergleich fehlen Tesla beispielsweise Fernbereichs-Radar-Sensoren.

Auch beim wichtigen Thema Karten ist die Konkurrenz den Amerikanern einen Schritt voraus. Audi, BMW und Mercedes können hier beispielsweise auf das Material vom Kartendienst Here zurückgreifen, den die Hersteller gemeinsam Ende 2015 von Nokia erworben hatten. Die Here-Technologie soll in einem Bereich von 20 Zentimetern auflösen und weitere Informationen beispielsweise zu Begrenzungslinien liefern. Tesla setzt in diesem Bereich dagegen weitestgehend nur auf GPS. Da fehlt technologisch ein ganzer Schritt.

Autoexperte Bratzel sieht Tesla technisch dennoch weitestgehend auf Augenhöhe mit den Großen der Branche. Einen Unterschied zwischen den Kaliforniern und anderen Herstellern sieht er vor allem in der Vermarktung der Funktionen. Tesla geht hier weitaus aggressiver vor. Während Tesla die bereitgestellten Features als „Autopilot“ bezeichnet, verwenden praktisch alle anderen Hersteller gezielt den Begriff Fahrerassistenzsysteme.

Der Vorwurf, dass Tesla seinen Kunden also mehr versprochen hat, als der Hersteller halten kann, ist laut Bratzel berechtigt. „Einige Tesla-Fahrer denken wahrscheinlich, dass sie einen voll funktionsfähigen Autopiloten haben, davor hätte Tesla entschiedener warnen müssen“, so Bratzel. Auch der Aufforderung an den Fahrer, die Hände ständig am Steuer zu lassen, müsse der Hersteller mehr Nachdruck verleihen. Tesla selbst weist das zurück. „Wir haben unseren Autopiloten nie als vollautonome Technologie bezeichnet“, sagte eine Sprecherin dem Handelsblatt. Außerdem habe man die Kunden regelmäßig darauf hingewiesen, dass sie selbst weiterhin die volle Verantwortung im Verkehr tragen.

Tesla verliert Verbündeten an BMW

Dass sich eine zu offensive Herangehensweise rächen kann, musste Tesla zudem kürzlich erfahren, als der israelische Kamera-Spezialist Mobileye seine Zusammenarbeit mit den Kaliforniern beendete. Nach den Autopilot-Unfällen bei Tesla sah der Zulieferer offenbar seinen guten Ruf in Gefahr. Mobileye-Chef Amnon Shashua kritisierte, dass Tesla den Autopilot ausgerollt habe, obwohl die Mobileye zuvor bereits klargemacht habe, querstehende Autos frühestens 2018 über Kameras erkennen zu können. Künftig wollen die Israelis verstärkt mit BMW zusammenarbeiten.

CAM-Leiter Stefan Bratzel sieht das Verhalten von Tesla allerdings teilweise auch positiv. „Man darf bei solchen Themen auch nicht zu vorsichtig sein, wenn man ganz vorne mitspielen will“, sagt er. Zwar stehe Tesla derzeit in der Kritik, „aber auch bei der Konkurrenz wird es zu Unfällen mit autonomen Autos kommen“, meint Bratzel. Ohne Folgen wird die Kritik bei Tesla nicht bleiben. Elon Musk hat bereits Nachbesserungen am Autopilot angekündigt, verschiedene Medien sprechen von einem „Autopilot 2.0“. Spekuliert wird dabei über zusätzliche Kameras und Radarsensoren, dazu äußern will sich Tesla aber noch nicht. Auch der Zeitpunkt für das Update steht offenbar noch nicht fest.

Die Details interessieren noch nicht. Allein die Tatsache, dass diese Ergänzung kommen wird, spricht Bände. Teslas Image des technologischen Heilsbringers, das sich auf die mithrasgleiche Gestalt eines Elon Musk fokussiert, bekommt immer mehr Risse und Sprünge. Es könnte sein, dass das gute Image von Tesla verblasst, ganz wie der Götternimbus, den Mithras einst besaß. Handelsblatt / Christoph Seyerlein / update: sig

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