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Das Kostenproblem der Deutschen Bank

Trotz guter Zahlen ist bei der Deutschen Bank nichts in Ordnung. Dementsprechend polterte der neue Chef John Cryan, als er die Quartalszahlen vorlegte. Die hohen Kosten drücken enorm aufs Gemüt. Die nahe Zukunft wird für viele Deutschbänker wohl eher unangenehm.

BÖRSE am Sonntag

Trotz guter Zahlen ist bei der Deutschen Bank nichts in Ordnung. Dementsprechend polterte der neue Chef John Cryan, als er die Quartalszahlen vorlegte. Die hohen Kosten drücken enorm aufs Gemüt. Die nahe Zukunft wird für viele Deutschbänker wohl eher unangenehm.

„Inakzeptabel hohe Kosten, anhaltend hohe Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten, zu bilanzintensive Geschäfte und insgesamt eine Rendite für unsere Aktionäre, die zu niedrig ist“, wenn man John Cryan den neuen Chef der Deutschen Bank hört, dann könnte man meinen dass das größte heimische Geldhaus ein miserables zweites Quartal hinter sich hat. Das ist nicht der Fall, im Gegenteil die Zahlen sehen gar nicht so schlecht aus. Schließlich kletterte das Vorsteuerergebnis im Vergleich zum Vorjahr um gut ein Drittel auf 1,2 Milliarden Euro, und der Nettogewinn sprang sogar von 238 Millionen Euro auf 818 Millionen Euro. Cryans harsche Worte haben nichts damit zu tun, dass die Zahlen für die Monate April bis Juni eigentlich noch seinem glücklosen Vorgänger Anshu Jain zuzurechnen sind. Der neue Mann an der Spitze hat gleich mehrere gute Gründe, um mit seiner Bank hart ins Gericht zu gehen.

Aber zunächst zu den guten Nachrichten: Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Erträge der Bank um 17 Prozent auf 9,2 Milliarden. Die Investmentbank lieferte beim Vorsteuergewinn ein Plus von 828 Millionen Euro auf 1,2 Milliarden, obwohl das bilanzintensive Geschäft reduziert wurde; die Vermögensverwaltung verdoppelte das Vorsteuerergebnis auf 422 Millionen Euro. Im Privatkundengeschäft und im Zahlungsverkehr verbesserte sich das Ergebnis ebenfalls – trotz des Niedrigzinsumfelds. Die harte Kernkapitalquote der Bank stieg im Vergleich zum Vorquartal von 11,1 auf 11,4 Prozent, einige Analysten sehen damit die Gefahr einer weiteren Kapitalerhöhung gebannt.

Aber trotz all dieser guten Nachrichten fallen die entscheidenden Werte auch im zweiten Quartal enttäuschend aus. Der Grund dafür: Ein zu großer Teil der Erträge wird durch steigende Kosten wieder aufgefressen. Die Kosten sind im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent auf 7,8 Milliarden Euro angestiegen, vor allem durch Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten, die sich mit 1,2 Milliarden Euro im Vergleich zum zweiten Quartal mehr als verdoppelt haben, aber auch durch steigende Gehälter. 

Am Ende musste die Deutsche Bank im zweiten Quartal 85 Cents ausgeben, um einen Euro zu verdienen. Damit sieht das Verhältnis von Kosten zu Einnahmen deutlich schlechter aus als bei allen größeren Konkurrenten in Europa und an der Wall Street. Ein Problem, das der heimische Branchenprimus bereits seit Jahren mit sich herumschleppt und bislang einfach nicht in den Griff bekommt.

Cryan weiß, dass er das ändern muss, denn seine Glaubwürdigkeit bei Analysten und Investoren steht und fällt mit seinen Sparerfolgen. Deshalb bleibt ihm gar nichts anderes übrig als die rund 100.000 Deutsch-Banker auf harte Einschnitte vorzubereiten, Einschnitte, die auch viele Arbeitsplätze kosten werden. Die Email, die die Mitarbeiter der Bank heute Morgen in Ihrem Postfach fanden, dürften die letzten Zweifelbeseitigen, dass auf sie ein hartes Sparprogramm zukommt. „Auf diesem Niveau sind die Kosten einfach inakzeptabel. Dies ist ein verschwenderischer Umgang mit unseren hart verdienten Erträgen, und wir müssen alle daran arbeiten, die Kosten zu senken“, schreibt Cryan, und er wird noch deutlicher: „Infolgedessen wird der Vorstand im weiteren Jahresverlauf eine Reihe wichtiger Veränderungen vornehmen. Veränderungen können belastend sein, aber den Status quo beizubehalten, ist keine Option.“ Cryans Schlussfolgerung: „Wir müssen alle Länder, Geschäftsfelder, Produkte und Geschäftsbeziehungen, die ökonomisch nicht vertretbar sind, kritisch betrachten.“

Drei große europäische Banken haben in den vergangenen Wochen ihre Vorstandschefs ausgetauscht. Bei Credit Suisse löste der Ex-Versicherungsmanager Tidjane Thiam den Ex-Händler Brady Dougan ab, bei Barclays jagte der Chairman John McFarlane seinen CEO Antony Jenkins vom Hof und übernahm selbst das Steuer, und bei der Deutschen Bank trat Anshu Jain nach einer Reihe zermürbender Niederlagen ab. Der Grund für den Führungswechsel ist jedes Mal der gleiche: Den Investoren und den Aufsichtsräten war das Tempo der Reformen viel zu langsam. Den Top-Managern, die nach der Finanzkrise an die Macht kamen, gelang es zwar ihre Institute zu stabilisieren, aber sie schafften es nicht, die Banken auf die neue Umwelt einzustellen, die von deutlich härteren Vorgaben der Regulierer geprägt wird. Für Europas Großbanken hat das olympische Motto schneller, höher, weiter ausgedient. Stattdessen heißt die neue Devise: schlanker, kleiner, bescheidener. 

Ein Blick auf die entscheidenden Kennzahlen zeigt, dass Cryan von den drei Newcomern bei weitem die härteste Aufgabe vor sich hat. Credit Suisse kam im ersten Halbjahr auf eine Vorsteuerrendite von knapp 15 Prozent, bei Barclays standen immerhin noch elf Prozent zu Buche, bei der Deutschen Bank sind es dagegen nur 7,5 Prozent. Kein Wunder, dass das Verhältnis von Kosten zu Einnahmen bei der Konkurrenz mit um die 70 Prozent deutlich besser ausfällt als beim Frankfurter Geldhaus. Mit ihrer neuen Strategie 2020 hat sich die Deutsche Bank nun vorgenommen die so genannte Cost Income Ratio auf 65 Prozent zu senken. Allein um diesen Wert zu erreichen, wären schon viele schmerzhafte Schnitte nötig, und viele Analysten trauen der Deutschen Bank auch unter der neuen Führung den Mut dafür noch nicht zu.

Aber Cryan könnte gezwungen sein noch weiter zu gehen, denn sein Konkurrent McFarlane entwickelt bei Barclays, einem Institut, das der Deutschen Bank in vieler Hinsicht sehr ähnlich ist, deutlich mehr Ehrgeiz. Er hat angekündigt, die Cost-Income-Ratio Richtung 50 Prozent zu drücken. Dafür ist er bereit einen hohen Preis zu bezahlen – McFarlane will mindestens 19.000 Stellen streichen. Spätestens im Oktober, wenn Cryan die Details der neuen Strategie vorstellenwill, wird sich zeigen, wie hoch der Preis ausfällt, den die Deutsche Bank in Kauf nehmen muss, um ihrem eigenen Anspruch und dem ihrer Investoren wieder gerecht zu werden.

Handelsblatt / Michael Maisch