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Alte Lasten und neue Verantwortung

Im Vorstand der Deutschen Bank hat sich die Machtbalance klar zu Anshu Jain verschoben. Der Co-Vorstandsvorsitzende wird Hauptverantwortlicher für die „Strategie 2020“ und will den Fokus auf das Investmentbanking legen. Doch bei der jüngsten Hauptversammlung weht ihm und Jürgen Fitschen scharfe Kritik entgegen. Ist die Zeit des Führungsduos schon abgelaufen?

BÖRSE am Sonntag

Im Vorstand der Deutschen Bank hat sich die Machtbalance klar zu Anshu Jain verschoben. Der Co-Vorstandsvorsitzende wird Hauptverantwortlicher für die „Strategie 2020“ und will den Fokus auf das Investmentbanking legen. Doch bei der jüngsten Hauptversammlung weht ihm und Jürgen Fitschen scharfe Kritik entgegen. Ist die Zeit des Führungsduos schon abgelaufen?

Die Deutsche Bank möchte eine „führende globale und in Deutschland verankerte Bank“ sein und sieht sich trotz anhaltender Kritik auf dem richtigen Weg. Anshu Jain und Jürgen Fitschen, Co-Vorstandsvorsitzende seit 2012, versuchten bei der Hauptversammlung am vergangenen Donnerstag, ihre Strategie zu verteidigen und die Aktionäre zu besänftigen. Statt Rückendeckung zu geben, verpasste die Hauptversammlung den beiden CEOs aber eine ordentliche Klatsche: Nur 61 Prozent entlasteten den Vorstand und sprachen ihm damit Vertrauen für die Zukunft aus. Üblicherweise liegt der Anteil bei über 90 Prozent. Im Falle der Deutschen Bank gibt es allerdings unter Investoren und Beobachtern erhebliche Zweifel an der Ausrichtung und am Führungspersonal.

Einen Tag zuvor hatte der Aufsichtsrat neue Rollenverteilungen für den Vorstand beschlossen. Besonders Anshu Jain wurde dabei gestärkt und übernimmt die Verantwortung für Strategie und Organisationsentwicklung. Jürgen Fitschen hingegen muss Aufgaben an den Finanzvorstand Stefan Krause abgeben und wird somit zunehmend zum schwächeren Part im Führungsduo der Deutschen Bank. Auch die internen Streitigkeiten um die Zukunft der Postbank hatten personelle Konsequenzen. Der Chef der Abteilung für Privatkunden, Rainer Neske, hatte sich gegen eine Entkonsolidierung eingesetzt – er wird die Deutsche Bank zum 30. Juni verlassen, nach 25 Jahren. Sein Nachfolger wird Christian Sewing. Diese und weitere personelle Veränderungen stehen im Zeichen der „Strategie 2020“, die die Deutsche Bank Ende April ausgerufen hatte.

Strategie 2020: Komplexität reduzieren, Filialen schließen

Demnach soll sich das Institut stärker fokussieren, zum Beispiel geografisch. Die Deutsche Bank will sich aus bis zu zehn Ländern zurückziehen. Im Privat- und Firmenkundengeschäft sollen beratende Tätigkeiten im Vordergrund stehen. Jain sagte dazu am Donnerstag: „Wir müssen kundenorientiert bleiben, uns dabei aber auf diejenigen Kunden konzentrieren, die an einer Partnerschaft interessiert sind, die für beide Seiten wertvoll ist.“ Weil die Digitalisierung mehr Effizienz verspricht und viele Kunden bereits Dienste wie Online-Banking nutzen, sollen bis 2017 auch bis zu 200 Filialen geschlossen werden. Zudem sollen in den kommenden fünf Jahren rund 400-500 Millionen Euro in digitale Technologien investiert werden.

Für die Postbank AG hat die Deutsche Bank bekanntlich ein Squeeze-out beantragt. Da sie mehr als 95 Prozent der Postbank-Anteile hält, kann sie die verbleibenden Kleinaktionäre mit einer Abfindung vor die Tür setzen. Über die Details wird bei der Hauptversammlung der Postbank AG am 28. August entschieden. Fest steht jedoch, dass die Deutsche Bank Abstand gewinnen möchte vom kleinteiligen Geschäft der Postbank. Anshu Jain stellte bei der Hauptversammlung klar: „Die Postbank und die Deutsche Bank können sich beide besser entwickeln und mehr Wert schaffen, wenn sie getrennte Wege gehen.“ Mehr Wert wünschten sich auch jene Aktionäre, die am Donnerstag zu Wort kamen. Auch ist vielen die neue Strategie nicht konkret genug.

Deutliche Kritik von den Aktionären und schwere Altlasten

Markus Kienle von der Aktionärsvereinigung SdK fragte Jain direkt: „Sind Sie das Problem dieser Bank, sind Sie die Lösung oder sind Sie beides?“ Ebenso kritisch gegenüber dem CEO zeigte sich Hans-Christoph Hirst vom einflussreichen britischen Aktionärsberater Hermes. Jain sei vielleicht nicht persönlich verantwortlich für die Manipulation von Zinsen, aber er trage doch die Verantwortung für eine Kultur, die solches Fehlverhalten ermöglicht hat. Vor 20 Jahren kam Anshu Jain zur Deutschen Bank und machte sich einen Namen als erfolgreicher Investmentbanker. Sein Image hat seit 2012 aber stark gelitten. Bei der Hauptversammlung überließ er die Beantwortung von Fragen seinen Kollegen, wohl aus gutem Grund.

Das finanzielle Ergebnis der Deutschen Bank wird weiterhin schwer von den Skandalen der Vergangenheit belastet, wie im ersten Quartal 2015 sichtbar wurde. Die meisten dieser Skandale gehen auf das Konto des Investmentbankings, für das Anshu Jain jahrelang verantwortlich war. Die britische Finanzaufsicht FCA und mehrere amerikanische Behörden verhängten zusammen eine Rekordstrafe in Höhe von 2,5 Milliarden Euro wegen der Manipulation von Referenzzinssätzen wie Libor und Euribor. Die Deutsche Bank soll nicht nur maßgeblich beteiligt gewesen sein, sondern auch die anschließenden Ermittlungen behindert haben. Trotz dieser horrenden Strafe erzielte der Konzern im ersten Quartal dieses Jahres ein Ergebnis von nach Steuern von 559 Millionen Euro. Die Erträge erreichten annähernd ein Rekordniveau.

Verluste an der Börse und in der öffentlichen Wahrnehmung

Für die Zukunft will sich die Deutsche Bank freimachen von den Altlasten und durch Investitionen langfristig viel Geld sparen. Bis 2020 werden jährliche Kosteneinsparungen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro angestrebt, dafür fallen rund 3,7 Milliarden Euro an Umsetzungskosten an. Ob das Investmentbanking wirklich die goldene Route für den Konzern ist, muss sich noch herausstellen. Es dürften wohl wechselhafte Zeiten werden. An der Börse musste die Deutsche Bank nach der Hauptversammlung deutliche Verluste einstecken. Das Papier gehörte zu den schwächsten Werten im DAX und beendete die Woche mit einem Minus von knapp drei Prozent bei 28,79 Euro. Viel stärker waren die Verluste aber Ende April nach der Verkündung der „Strategie 2020“ gewesen, was auch von deutlicher Skepsis der Anleger gegenüber den Plänen zeugt.

Anshu Jain und Jürgen Fitschen ist es am Donnerstag nicht gelungen, den Kritikern den  Wind aus den Segeln zu nehmen. Stattdessen gab es einen Denkzettel bei der Abstimmung zur Entlastung des Vorstands sowie viel Kritik an der neuen Strategie. Für das Führungsduo hängt nun alles davon ab, dass sie pünktlich gute Resultate präsentieren und ihre ehrgeizigen Pläne einhalten. Jürgen Fitschen ist zudem noch regelmäßiger Gast im Gerichtssaal: Der 66–Jährige ist angeklagt wegen versuchten Prozessbetrugs im Kirch-Verfahren. Eine persönliche Altlast mehr für das CEO-Gespann. Aufsichtsratschef Paul Achleitner jedenfalls dürfte die beiden nicht um jeden Preis verteidigen. Auf die Frage, ob Jain und Fitschen als CEOs unersetzbar seien, antwortete er Anfang der Woche: „Wer ist das schon?“ Womöglich hat er kürzlich das Anfängerseminar „Wie gehe ich öffentlich auf Distanz zum CEO“ von Ferdinand Piëch besucht.