Paukenschlag bei der Deutschen Bank
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank hat heute in einer außerordentlichen Sitzung John Cryan (54) mit Wirkung zum 1. Juli 2015 zum Co-Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank ernannt. Anshu Jain (52), bisher Co-Vorstandsvorsitzender, wird zum 30. Juni 2015 zurücktreten, sein Pendant an der Konzernspitze, Jürgen Fitschen (66), nimmt zum Abschluss der Hauptversammlung im Mai 2016 seinen Hut.
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank hat heute in einer außerordentlichen Sitzung John Cryan (54) mit Wirkung zum 1. Juli 2015 zum Co-Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank ernannt. Anshu Jain (52), bisher Co-Vorstandsvorsitzender, wird zum 30. Juni 2015 zurücktreten, sein Pendant an der Konzernspitze, Jürgen Fitschen (66), nimmt zum Abschluss der Hauptversammlung im Mai 2016 seinen Hut.
Die milliardenschweren Rechtsstreitigkeiten und immer neue Vorwürfe wegen Verstößen gegen Regelungen und den guten Ton in der Finanzwelt, denen sich die Deutsche Bank in den letzten Jahren permanent ausgesetzt sieht, zeigen damit eine deutliche Wirkung. Auch die Entwicklung des Aktienkurses dürfte eine Rolle gespielt haben; die negativen Analystenkommentare hatten zuletzt zugenommen. Einen ersten Hinweis auf einen Wechsel an der Spitze hatte bereits ein Flugblatt des Betriebsrates gegeben: „Wind of change? Wind of Jain?“ war dort gekalauert worden – eine nur notdürftig bemäntelte Rücktrittsforderung.
Dem großen Druck von innen und außen ist der Aufsichtsra nun nachgekommen. Mit John Cryan kommt kein Unbekannter. Seit 2013 ist er Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bank und hat die Funktion des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses inne. Er ist zudem Mitglied des Risikoausschusses. Mit Amtsantritt als Co-Vorstandsvorsitzender wird er sein Mandat als Mitglied des Aufsichtsrats der Bank niederlegen. Von 2012 bis 2014 war Präsident Europa von Temasek, dem Staatsfonds Singapurs. Zuvor fungierte er als Finanzvorstand der UBS, seit 1987 hatte er verschiedene Funktionen im Corporate Finance-Geschäft und in der Kundenberatung von UBS und SG Warburg inne. Er verfügt über einen Abschluss der Universität Cambridge.
Die Ernennung von John Cryan zum Co-Vorstandsvorsitzenden ist eine faktische Sofort-Entmachtung der beiden bisherigen Vorstandsvorsitzenden. Ein Schritt in diese Richtung hatte sich bereits angekündigt, als auf der letzten Hauptversammlung lediglich 61 Prozent der Aktionärsstimmen für eine Entlastung der beiden abgegeben wurden. Der Aufsichtsrat hat Anshu Jain jedoch gebeten, vom 1. Juli 2015 bis Januar 2016 als Berater der Bank zur Verfügung zu stehen. Der Aufsichtsrat hat Jürgen Fitschen gebeten, sein bisheriges Amt bis zum Abschluss der Hauptversammlung am 19. Mai 2016 wahrzunehmen, um einen geregelten Übergang sicherzustellen. Die Verträge von Jürgen Fitschen und Anshu Jain hatten ursprünglich eine Laufzeit bis zum 31. März 2017. Nach dem Ausscheiden von Jürgen Fitschen am 19. Mai 2016 wird John Cryan alleiniger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank. Ihm traut der Aufsichtsrat offenkundig zu, die ehrgeizige „Strategie 2020“ umzusetzen, die sich die Bank gegeben hat.
Paul Achleitner, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Bank, äußerte sich eher schmallippig: „Im Namen des Aufsichtsrats möchte ich Jürgen Fitschen und Anshu Jain unseren Dank und unsere Anerkennung für ihre Leistung aussprechen, die sie für unsere Bank erbracht haben. Aufgrund ihres jahrzehntelangen Einsatzes hat die Deutsche Bank ihre weltweite Führungsposition erreicht. Ihre Entscheidung, ihr Amt früher als geplant niederzulegen, zeigt auf eine beeindruckende Weise ihre Einstellung, die Interessen der Bank vor ihre eigenen zu stellen.“ Über die letzten beiden Jahrzehnte hinweg habe Anshu Jain einen wichtigen Beitrag geleistet, viele der führenden Geschäftszweige der Bank zu begründen und auszubauen. Er habe als Führungspersönlichkeit mit dafür gesorgt, die Deutsche Bank in eine global führende, in Deutschland verwurzelte Bank zu entwickeln, damit habe er sich einen Platz in der Geschichte der Bank erarbeitet. Abschiedsworteworte für einen wirklich bedeutenden und geschätzten Vorstandsvorsitzenden klingen anders.
Aus der Erwiderung von Anshu Jain war ein gewisses Maß an Trotz herauszulesen: „Diesen Monat sind es 20 Jahre, dass ich für die Deutsche Bank arbeite und es war eine außergewöhnliche Zeit. In den letzten drei Jahren hatte ich das Privileg und die Ehre, diese großartige Institution zusammen mit Jürgen Fitschen zu führen. In dieser Zeit haben wir unsere Kapitalbasis gestärkt, Risiken abgebaut sowie maßgeblich in Technologie, Kontrollen und Compliance investiert. Vor allem haben wir unsere Kunden zufriedengestellt, unsere Erträge erhöht und dabei gleichzeitig die Bank neu geformt und gestärkt.“
Ob die Deutsche Bank unter Cryan wieder in ruhigeres – und profitableres – Fahrwasser steuert und ob ihre Aktie damit einer Phase der Wertsteigerung entgegenläuft, das wird die Zukunft zeigen. Der Aufsichtsrat hat, für viele Beobachter überraschend, seine Hausaufgaben erledigt. John Cryan ist am Zug.