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Deutsche Bank: ein Hauch von Thatcher

Gut 100 Tage nach dem Amtsantritt des neuen Vorstandsvorsitzenden, John Cryan, kündigt die Deutsche Bank den größten Quartalsverlust ihrer Geschichte an. Die Märkte reagieren gelassen. Der neue CEO scheint einen Plan zu haben.

BÖRSE am Sonntag

Gut 100 Tage nach dem Amtsantritt des neuen Vorstandsvorsitzenden, John Cryan, kündigt die Deutsche Bank den größten Quartalsverlust ihrer Geschichte an. Die Märkte reagieren gelassen. Der neue CEO scheint einen Plan zu haben.

Was haben die Deutsche Bank und eine Erkältung gemeinsam? Ihre Skandale kehren genauso häufig wieder wie Schnupfen und Halsschmerzen. Mehrmals im Jahr macht Deutschlands größtes Finanzinstitut Schlagzeilen mit fatalen Botschaften. Manipulationen hier, Rechtsstreitigkeiten dort: Kein Wunder, dass das ohnehin schon niedrige Vertrauen in Banken weiter schwindet. Im Sommer gaben bei einer Umfrage des Fachmagazins „Finance“ 89 Prozent der Finanzchefs mittelständiger Unternehmen in Deutschland an, dass ihr Vertrauen in die Deutsche Bank in letzter Zeit gesunken sei.

Wie krank die Großbank mit Sitz in Frankfurt ist, stand letzte Woche schwarz auf weiß in einer Pressemitteilung. Darin kündigt das Unternehmen gleich mehrere starke Belastungen an: So wird die Bank für das dritte Quartal eine Abschreibung von sagenhaften 5,8 Milliarden Euro in die Bücher schreiben. Grund dafür seien „höhere regulatorische Kapitalanforderungen“ und der Postbank-Verkauf, bei dem nun doch ein Verlust erwartet wird anstatt des lukrativen Erlöses, von dem im Frühjahr noch die Rede war. Weitere 600 Millionen Euro wurden durch die Beteiligung an der chinesischen Hua Xia Bank entwertet, da diese „nicht länger als strategisch betrachtet“ wird. Außerdem schreibt die Deutsche Bank - fast schon wie gewohnt – einen Betrag für Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten ab. In diesem Fall in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro.

Unterm Strich erwartet Deutschlands größte Bank einen Verlust nach Steuern von insgesamt 6,2 Milliarden Euro. Damit wird der neue CEO John Cryan in zwei Wochen den höchsten Quartalsverlust der 145-jährigen Unternehmensgeschichte präsentieren. Seit etwas mehr als 100 Tagen ist der Brite nun im Amt. Ist er der geeignete Doktor für die empfindlichen Schwächungen, die die Großbank seit Jahren plagen?

Zahlenmensch John Cryan

Noch ist das Profil des höchsten Deutschbankers nicht wirklich geschärft. Aus UBS-Zeiten weiß man zwar, dass Cryan ein Zahlenmensch ist, aber nicht viel mehr. Er zieht dem Rampenlicht lieber eine Leselampe vor. Statt Porträts über sich zu lesen, studiert er eher Aktenstapel. Seine aktuelle „Botschaft an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ ist letztlich mehr eine mit Zahlen versehene Aufzählung der Finanzmisere als ein empathisch-emotionaler Appell. Symptomatisch für seine Medienscheue - oder positiv ausgedrückt: Für das Wahrnehmen seiner eigentlichen Arbeit statt Imagepflege und Großmannssucht - ist die Tatsache, dass kein aktuelles Foto von ihm existiert. Neben des offiziellen Deutsche Bank Vorstandsbildes gibt es kein neues Pressebild des 54-jährigen. Cryan hat alle Hände voll zu tun, um die Deutsche Bank wieder zu heilen und von den Altlasten seiner Vorgänger zu kurieren. Deshalb arbeitet er bereits seit Wochen an einem Patentrezept. Am 29. Oktober möchte er die neue Bank-Strategie präsentieren. Dann werden auch die genauen Zahlen für das dritte Quartal vorgelegt. Denn der Verlust von 6,2 Milliarden - so betont die Bank - sei nur eine vorläufige Schätzung.

Entgegen erster Vermutungen blieb die Deutsche Bank-Aktie nach den plötzlichen Schockmeldungen recht stabil. Im Nachhinein bleibt nur ein kleiner Knick im Aktienchart sichtbar. Die relativ harmlose Reaktion an der Börse hat zwei Gründe: Zum einen war der Börsenwert der Deutschen Bank mit unter 26 Euro ohnehin schon im Keller: In den letzten fünf Jahren hat sich das Wertpapier halbiert. Zum anderen bewerten Investoren es positiv, dass Cryan eine Veränderung der Kernkapitalquote weiterhin kategorisch ausschließt. Sie bleibt bei elf Prozent.

Margaret Thatcher der Deutschen Bank

Eines scheint sicher: Die verlorenen Milliarden und das verlorene Vertrauen kann nur mit großen Anstrengungen zurückgewonnen werden. Diverse Nachrichtenagenturen meldeten am Montag, dass die britische Versicherungstochter Abbey Life kurz vor dem Verkauf stehe. Eine Veräußerung von Abbey Life könnte der Deutschen Bank über vier Milliarden Euro verschaffen. Abseits des M&A-Bereiches, werden im Zuge der Neuausrichtung auch verschiedene Stakeholder leiden. Aktionäre müssen demnächst entweder auf die komplette oder zumindest auf große Teile der Dividende verzichten.

In den letzten fünf Jahren durften sich Anleger noch über eine Dividende von 75 Cent freuen. Auch beim Personal wird es Restriktionen geben. So werden vermutlich Mitarbeiter entlassen und variable Bezüge gekürzt. Übrigens auch in den Führungsetagen. All das gehört zur Strategie 2020. In Frankfurter Insiderkreisen nennt man den neuen CEO bereits die Margaret Thatcher der Deutschen Bank. Seine knallharten Sanierungspläne beschaffen ihm den Namen. Zumindest das, was bisher über die neue Strategie spekuliert wird, klingt knallhart. Seinen tatsächlichen Plan kann man erst Ende Oktober durchleuchten und kommentieren.

Fazit

Selbst auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 präsentierte die Deutsche Bank kein so schlechtes Quartalsergebnis wie in der aktuellen Periode. Die Ursachen dafür liegen in schlechten Managerentscheidungen, einer ungelebten Kultur und falschen Strategien. Im vierten Monat seiner Amtszeit will John Cryan nun aufräumen und ausmisten. Dazu gehören auch unpopuläre Entscheidungen. Ende Oktober tritt der bisher rar gesehene Vorstandsvorsitzende mit einem neuen Masterplan an die Öffentlichkeit. Man darf gespannt sein. WCW

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