Die Tücken der Kurzsichtigkeit
Die Deutschen lieben ihre Sparbücher, Tages- und Festgelder. Sie waren Garant für ruhigen Schlaf und eine gewisse Rendite – das über Jahrzehnte. Inzwischen schafft diese beliebte Anlageform aber nicht einmal mehr den Inflationsausgleich.
Die Deutschen lieben ihre Sparbücher, Tages- und Festgelder. Sie waren Garant für ruhigen Schlaf und eine gewisse Rendite – das über Jahrzehnte. Inzwischen schafft diese beliebte Anlageform aber nicht einmal mehr den Inflationsausgleich.
Und dennoch halten viele Bundesbürger daran fest. Die Deutsche Bundesbank spricht von mehr als zwei Billionen Euro, in diesen meist unverzinsten oder zumindest kaum rentierlichen Anlageformen liegen. Den Anlegern ist der schleichende Substanzverlust auf realer Basis offenbar nicht klar, oder sie nehmen ihn billigend als Versicherungsprämie in Kauf. Dieser Beweggrund ist zu verstehen, wenn man auf die Kapitalmarktvolatilität der letzten Wochen blickt. Wer vor einigen Wochen in den Aktienmarkt eingestiegen ist, sitzt nun auf empfindlichen Verlusten. Diese sehr kurzfristige Betrachtung sollte aber nicht als vorherrschende Entscheidungsbasis dienen.
Zumindest nicht für jenen Teil des Vermögens, mit dem Anlageziele verfolgt werden, und der nicht als Liquidität vorgehalten werden muss. Hier sind vielmehr die langfristigen Faktoren entscheidend. Beim aktuellen Zinsniveau sieht es dabei für festverzinsliche Anlagen trübe aus. Selbst wenn sich Anleger auf längere Zeit binden, ist – neben der Inkaufnahme der entsprechenden Kursrisiken bei Zinsschwankungen – ein realer Vermögensaufbau außer Reichweite. Während 10-jährige Bundesanleihen bei der Wiedervereinigung bei rund 9 Prozent rentierten, liegt die Rendite aktuell bei rund 0,60 Prozent. Bei dieser niedrigen Verzinsung dauert es über ein Jahrhundert, bis sich das Anlagevermögen eines Investors verdoppelt.
Dies ist schwer in Einklang zu bringen mit einer unveränderten realwirtschaftlichen Dynamik. Und völlig unnötig, wenn man sein Geld arbeiten lassen kann. Die Fakten sprechen für sich: Aktieninvestments haben in den letzten 50 Jahren eine durchschnittliche Rendite von 7,4,% im Jahr erzielt, in den letzten 20 Jahren, in denen sich der Deutsche Aktienindex vervierfacht hat, sogar 8,1 % p.a. Die Deutsche Bank hat unterschiedlichste Anlagezeiträume sowie Startjahre zwischen 1964 und 2013 untersucht, und festgestellt, dass bei einer 10-jährigen Haltedauer die Wahrscheinlichkeit eines nominalen Verlustes nur 5% beträgt, bei einer 20-jährigen Anlagedauer sogar 0%.
Die durchschnittliche Jahresrendite 10-jähriger Anlagen belief sich dabei – in Abhängigkeit vom Startjahr – auf 2% (in diesem Fall wurde also ein Verlust generiert) und +17%. Blieb der Anleger 20 Jahre investiert, konnte er sich an durchschnittlichen Jahresrenditen über den Gesamtzeitraum von +5% bis +15% erfreuen. Daher führt für eine erfolgreiche Altersvorsorge kein Weg an Aktien vorbei. Wer früh beginnt, kann bei festen Raten von einer automatischen Abmilderung von Schwankungen bei den Einstiegskursen profitieren. Ist schon ein gewisser Vermögensbestand vorhanden, lässt sich das Risiko eines schlechten Timings dadurch mildern, dass man sukzessive in die Zielstruktur migriert. Und Investoren sollten das Gesamtrisiko ihres Portfolios bewusst streuen, etwa durch Aktien, Immobilien und Mischfonds.
Diese Erkenntnis muss noch sehr viel aktiver vermittelt werden. Anstatt zu wachsen, sinkt die Zahl der Aktionäre seit Jahren. Laut Deutschem Aktieninstitut sind nur 8,4 Millionen Menschen in Deutschland am Aktienmarkt investiert, die älter sind als 14 Jahre. Das sind gerade einmal 13 Prozent der Bevölkerung. Somit haben sich seit 2001 über 4 Millionen Anleger von der Aktie verabschiedet – ein alarmierendes Signal. Damit liegt Deutschland weit abgeschlagen hinter Ländern wie den USA, Großbritannien oder Schweden. In den USA beträgt die Quote rund 35 Prozent, und Aktien werden dort viel mehr für die Altersvorsorge genutzt. Diese Entwicklung ist tragisch. Deutschland wird weltweit um seine Unternehmen beneidet – die DAX 30 Unternehmen sind aber überwiegend in ausländischem Besitz. Entsprechend profitieren von Dividenden und Kursgewinnen der letzten Jahre zum überwiegenden Teil ausländische Depots. Das muss sich ändern.
Dr. Cornell Wisskirchen