EnBW und Prokon: Geld oder Liebe?
Der Energiekonzern EnBW würde gerne Prokon kaufen. Die Gläubiger entscheiden nun darüber, ob sie damit einverstanden sind oder das Genossenschaftsmodell bevorzugen.

Der Energiekonzern EnBW würde gerne Prokon kaufen. Die Gläubiger entscheiden nun darüber, ob sie damit einverstanden sind oder das Genossenschaftsmodell bevorzugen.
Verraten, verkauft und jetzt vergöttert? Wer hätte gedacht, dass Windkraft so spannend sein kann? Die Geschichte um den Windkraftfinanzierer Prokon liest sich wie ein Krimi. Zuerst wurden den Anlegern lukrative Renditen geboten, dann schlitterte das Unternehmen vergangenes Jahr in die Pleite und jetzt geht es am 2. Juli ins Finale. Dann werden sich in den Hamburger Messehallen die Gläubiger von Prokon treffen, um über die Zukunft des Unternehmens zu entscheiden. Sie können wählen: Entweder sie stimmen dem Kaufangebot des Energiekonzerns EnBW in Höhe von 550 Millionen Euro zu oder sie votieren für ein Genossenschaftsmodell, das die Fortführung der Firma durch die alten Investoren vorsieht.
Rückblende: Prokon hatte vor der Pleite mit einem jährlichen Festzins von sechs Prozent geworben und bis zu acht Prozent ausgezahlt. Das Risiko erwies sich als zu hoch. 75 000 Anleger hatten insgesamt 1,4 Milliarden Euro in Form von Genussrechten in Prokon investiert Was ihnen einst als „grünes Sparbuch“ und als perfekte Symbiose aus Ökologie und Rendite verkauft wurde, hatte sich als Falle des Grauen Kapitalmarkts entpuppt. Prokon hatte sich fast nur über Genussrechte finanziert. Mit dem Kredit sollte der Bau von Windkrafträdern ermöglicht werden. Das Problem für die Anleger: Im Insolvenzfall werden Inhaber von Genussrechten erst nach allen anderen Gläubigern bedient.
Es ist das größte Insolvenzverfahren der deutschen Wirtschaftsgeschichte. EnBW tut alles, um an das Windkraft-Unternehmen heranzukommen und wirbt dafür auf allen Kanälen: in der Zeitung, im Radio oder übers Internet. So will der Chef persönlich die Prokon-Anleger überzeugen, sich für den Verkauf an den drittgrößten Energiekonzern Deutschlands zu entscheiden: Frank Mastiaux betont, die Anleger würden in dem Fall ihr Geld sofort erhalten. Auf seiner Internetseite rechnet der Konzern vor, was die Gläubiger zu erwarten haben: Wer eine Forderung von 10.000 Euro hat, bekommt 5220 Euro ausbezahlt.
Wertlos ist Prokon also keinesfalls. So verfügt das Unternehmen über beträchtliche Werte. In Deutschland und Polen hat es 54 Windparks mit 318 Windkraftwerken und insgesamt 537 Megawatt Leistung. Weitere Parks sind in Planung. Folgende Strategie liegt nahe: Für EnBW, einst Verfechter der Kernkraft, könnte der Deal auf dem neuen Weg Richtung Ökostrom einen Meilenstein bedeuten. Erneuerbare Energien lautet das Zauberwort. „Prokon hat viel zur Energiewende in unserem Land beigetragen“, sagt Mastiaux in einer Videobotschaft, die er über den populären Youtube-Kanal publizierte.
„Nach unserer Einschätzung ist das Kerngeschäft von Prokon gesund und bietet gute Grundlagen für eine Weiterentwicklung“, so der EnBW-Vorstandsvorsitzende. Und weiter: „Mit EnBW an der Seite sehen wir für Prokon eine langfristig stabile und sichere Zukunft.“ Zusammen mit der EnBW könne ein Team entstehen, das in Deutschland seines Gleichen suche. „Unser Kaufangebot bedeutet für Sie eine schnelle und risikofreie Einmalzahlung.“
EnBW bewertet Prokon mit rund 550 Millionen Euro – der Insolvenzverwalter hat hingegen einen Wert von knapp 630 Millionen errechnet. Der Verkauf an EnBW würde die Quote der Anleger mindern. Sie bekämen nur rund 52,2 Prozent ihres Einsatzes zurück. Als Genossen hätten sie voraussichtlich einen Anspruch auf eine höhere Quote von 58,9 Prozent. „Lassen Sie sich nicht von EnBW abspeisen!“, heißt es in einem Schreiben, das der Vorstand des Vereins „Freunde von Prokon“ an die Mitglieder geschickt hat. Mehr als 10.500 der 75.000 Anleger haben sich getroffen, um das ökologische Projekt in Eigenregie fortzusetzen. „Bei unserem Modell werden die Gläubiger finanziell besser gestellt“, sagt der Vorsitzende Wolfgang Siegel. Je 10.000 Euro Einlage bleibe ein Wert von 5.890 Euro erhalten. Darüber hinaus sei bei dem Genossenschaftsmodell voraussichtlich ab 2017 mit der Ausschüttung einer Dividende zu rechnen.
Gläubiger müssen handeln
Wem die Gläubiger mehr vertrauen, wird sich zeigen. Bereits bis zum 26. Juni müssen genügend Anleger gegenüber dem Insolvenzverwalter rechtsverbindlich erklären, dass sie ihre Genussrechte in die Genossenschaft einbringen und somit am Unternehmen beteiligt bleiben wollen. Es kommt in Hamburg nur dann zur Abstimmung, wenn Genussrechte im Nennwert von 660 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Bei einer unverbindlichen Umfrage des Insolvenzverwalters hatten sich bereits ausreichend Investoren dazu bereiterklärt. Das muss aber noch nichts heißen. So berichtet das Handelsblatt, dass einige Anleger nach dem Drama der vergangenen zwei Jahre nichts mehr mit Prokon zu tun haben wollen, insbesondere die Älteren würden gerne jetzt Kasse machen. Das Blatt nennt beispielhaft einen 77-Jährigen, der eigentlich für das Genossenschaftsmodell sei. Doch fürchte dieser, dass er bald Bargeld braucht, falls er und seine Frau ins Heim umziehen müssen. „Es ist ähnlich wie bei einer Erbengemeinschaft. Ein paar Erben möchten das Haus im Familienbesitz lassen. Die anderen aber möchten es lieber verkaufen und Cash sehen“, resümiert die Zeitung.
Was auch immer die Prokon-Anleger vorhaben, sie sollten aktiv agieren und sich entscheiden. Tun sie es nicht und bleiben passiv, könnte der Albtraum am 2. Juli in die Endlosschleife geraten: Wenn nicht genügend Stimmen für das eine oder andere Modell zustande kommen, wird Prokon über Jahre liquidiert. Das wäre teuer und würde lange dauern. Und die Investoren würden zum Schluss weniger als die Hälfte ihres Kapitaleinsatzes wiedersehen. Die Börsianer jedenfalls waren zuletzt, was die EnBW-Aktie betrifft, nicht gerade euphorisch. Der Titel verlor in den vergangenen vier Wochen rund 2,5 Prozent seines Wertes.