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Errea: Sieger der Herzson

Die Nationalmannschaft Islands schreibt eines der großen Fußballmärchen dieser Europameisterschaft. Der Sieg gegen England, das unmittelbar nach dem Brexit-Votum einen erneuten Tiefschlag einstecken musste, zeigt geradezu symbolisch, wie sich eine kleine Insel erfolgreich gegen große Gegner aufbäumte. Ebenso ihr Trikothersteller: Das italienische Familienunternehmen Errea profitiert vom isländischen Erfolg und lässt die Konkurrenz von Adidas, Nike und Puma nur staunen.

BÖRSE am Sonntag

Die Nationalmannschaft Islands schreibt eines der großen Fußballmärchen dieser Europameisterschaft. Eine kleine Insel bäumte sich erfolgreich gegen große Gegner auf. Ebenso ihr Trikothersteller: Das italienische Familienunternehmen Errea profitiert vom isländischen Erfolg und lässt die Konkurrenz von Adidas, Nike und Puma nur staunen.

Hu, hu,hu! So hallte es ein letztes Mal durchs Stadion. Am Sonntagabend in Paris endete die unglaubliche Reise, die ohne Zweifel eine der ganz großen Geschichten dieser Europameisterschaft ist. Eine Insel, deren Einwohnerzahl insgesamt so klein ist wie diejenige Bielefelds – eine Insel mit offensichtlich fußballfeindlichen Wetter, die gerade einmal 100 Profifußballer beheimatet sind – diese Insel also schreibt das Fußballmärchen schlechthin. Ausgerechnet das Mutterland des Fußballs wurde zum Opfer von Sigurdsson, Brjanarson und nicht zuletzt Sigthorsson, der, wie soll das auch anders sein, das Si(e)g-T(h)or schoß.

In ganz Europa brach sich eine regelrechte Sympathiewelle der Isländischen Mannschaft Bahn. Besonderen Grund zu Freude gibt es aber in der italienischen Kleinstadt Torrile in der Provinz Parma, die für europaweite Fußballereignisse bisher ebensowenig bekannt war wie die Geysir- und Vulkaninsel am Nordwestrand Europas. Das beschauliche Torrile ist der Hauptsitz von Errea. Dieses Familienunternehmen produziert hauptsächlich Sportartikel für Fußball, Handball, Volleyball und Basketball, aber auch Freizeitkleidung und Unterwäsche. In der Fußball-Sparte ist das Geschäft oft schwierig, da die großen Marktführer Nationalmannschaften und Vereine weitestgehend unter sich aufteilen.

Während Adidas Deutschland, Spanien, Wales oder Belgien ausstattet, hat Nike die Fußballnationalmannschaften aus England, Frankreich oder Portugal unter Vertrag. So teilen sich die beiden Riesen fast die ganze Welt untereinander auf. Einzig Puma kann mit dem Sponsoring von Italien, Österreich oder der Schweiz noch annähernd konkurrieren. Und für Errea bleiben denn eben die wackeren Isländer.

Genauso funktioniert auch der Markt unter den verschiedenen Mannschaften. Adidas hat Real Madrid und den FC Bayern, Nike dagegen den FC Barcelona und Paris Saint-Germain unter Vertrag. So schauen nicht nur Fußballfans weltweit ihren Sport und fiebern mit, sondern auch die großen Konzerne sind gespannt und hoffen auf Erfolge und damit schöne und vor allem viele Fernsehbilder von den Teams, die sie ausgestattet haben. So entsteht aber auch ein regelrechter Kampf um Teams und ein Wettbieten der Hersteller untereinander.

Errea steht also im Schatten der großen Konkurrenz: Die zwei Aushängeschilder Erreas kamen aus Bergamo und Pescara, nicht aus Manchester oder Madrid. Und auch wenn Island nun im EM-Viertelfinale war, wird daraus fußballmäßig nicht England und nicht Deutschland. Trotzdem muss sich die Marke mit den zwei Rauten keinesfalls verstecken: Das Familienunternehmen wurde 1988 von dem ehemaligen Fußballer Angelo Gandolfo gegründet und hat mittlerweile 600 Mitarbeiter und einen jährlichen Umsatz von 60 Millionen.

Errea war ein Faktor am Markt, mit denen sich die Konkurrenz aus den USA und Deutschland nie beschäftigen musste. Bis jetzt. Denn als Errea 2002 die aus den Niederungen der FIFA-Weltrangliste stammende isländische Nationalmannschaft auszustatten begann, war nicht zu erwarten, welch ein Erfolg das noch werden würde. Rund 14 Jähre später reißen sich in ganz Europa Fans um die Trikots mit den Namen Sigthorson und Co. Jeder möchte den ganz speziellen, isländischen Spirit am eigenen Leib spüren. Und in Torrile klingeln die Kassen.

So sehr, dass alle Trikots restlos ausverkauft sind. Die Verkaufszahlen der Isländischen Trikots lägen unglaubliche 1.800 Prozent über dem prognostizierten Wert, erklärte Pressesprecher Omar Smarason. Der große Gewinner im Sponsoren Wettbewerb sind sie aber auch ganz ohne den Trikotabsatz. Schon die bisherige TV-Präsenz bedeutet einen zweistelligen Millionenbetrag als Werbeäquivalenzwert. Errea hatte damit genauso viele Teams im Viertelfinale wie der milliardenschwere Konzern Puma: eines.

Diese Europameisterschaft ist für viele bislang eine Enttäuschung: komischer Modus, mieses Wetter und schlechte Spiele lassen nur die wenigsten wirklich in Fußballstimmung kommen. Gerade die Sportartikelhersteller hatten sich vor der EM eine positivere Resonanz erhofft. Puma wurde sogar wegen der vielen zerrissenen Trikots im Gruppenspiel der Schweiz gegen Frankreich von allen Seiten verhöhnt. Völlig anders läuft die EM für Island und Errea: Zwei Unterdogs, die keiner so wirklich kannte und gemeinsam durch diese Europameisterschaft weltweite Prominenz erlangt haben. Die Halbfinals werden zwar zwischen Nike und Adidas ausgetragen: jeweils zwei Teams haben beide ausgestattet. Der wahre Sieger steht aber schon jetzt fest: Es ist Errea, der Sieger der Herzson. VAL

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