Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
>

EFSF zu Griechenland: „Zahlungsunfähig!“

Die Hellenen lassen sich nicht einschüchtern – und werden möglicherweise für den Euro stimmen. Beobachter gehen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegnern beim für Sonntag geplanten Referendum aus.

BÖRSE am Sonntag

Die Hellenen lassen sich nicht einschüchtern – und werden möglicherweise für den Euro stimmen. Beobachter gehen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegnern beim für Sonntag geplanten Referendum aus.
 
In der aktuellsten Vorab-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Alco, die die Zeitung Protothema in Auftrag gegeben hatte, teilte erstmals eine Mehrheit Griechen mit, am Sonntag ihr Kreuz bei Ja zu machen und damit für den Spar- und Reformkurs für Griechenland zu stimmen: 41,7 Prozent der Befragten gegenüber 41,1 Prozent. Rund zehn Prozent der griechischen Wähler sind noch unentschlossen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass Griechenland rund 50 Milliarden Euro zusätzlich an Hilfe und einen Schuldenschnitt benötigt. Nach dem Ausbleiben der jüngst fälligen Rückzahlung von 1,6 Milliarden Euro hat der Europäische Rettungsfonds ESFS Griechenland für „zahlungsunfähig“ erklärt. Verunsicherte Verbraucher und Unternehmen heben seit Monaten große Mengen Bargeld von ihren Konten ab und schaffen zumindest einen Teil davon ins Ausland. Ohne die Notkredite droht den griechischen Instituten die Pleite, weil sie auf herkömmlichem Weg kein frisches Geld mehr von der EZB bekommen und zugleich Bankkunden ihre Konten leerräumen.

Sitzen die Banken weiter auf dem Trockenen, droht eine Abwärtsspirale in Griechenland, denn die Banken halten in großem Umfang Anleihen des griechischen Staates, die bei einer Staatspleite faktisch wertlos wären. Die griechische Zeitung „Kathimerini“ hatte jüngst einen bemerkenswerten Artikel veröffentlicht. Handelsblatt-Korrespondent Gerd Höhler hat ihn ins Deutsche übersetzt, die BÖRSE am Sonntag gibt ihn hier auszugsweise wieder. Meinungsartikel der „Kathimerini“ werden im Namen der Redaktion veröffentlicht und lassen sich nicht auf einen bestimmten Autor zurückführen. Die Zeitung schreibt: „Das griechische Volk hat während der vergangenen Jahre viel erdulden müssen.

In seiner Verzweiflung hat es einem unerfahrenen politischen Führer das Mandat erteilt, in einem der schwierigsten Augenblicke das Geschick der Nation in die Hand zu nehmen. Der Auftrag war klar: Harte Verhandlungen, aber Sicherung der Zukunft des Landes im Euro. Seither sind vier katastrophale Monate vergangen. Die Wirtschaft versinkt wieder in der Rezession. Die Verhandlungen mit den Gläubigern wurden zu einer Show. Ständig wurde uns vorgespielt, eine Einigung stehe unmittelbar bevor. Und im letzten Moment, als es ernst wurde, begriff der Ministerpräsident, dass er seiner historischen Verantwortung nicht gerecht werden kann. Er kniff vor einer Einigung, die ein schlechter Kompromiss war – wegen seiner eigenen Fehler –, die aber den Verbleib des Landes in der Euro-Zone gesichert hätte.

Jetzt versucht er die Emotionen des Bürgers mit großmäuligem Gerede über unsere „Würde“ auszunutzen und uns zu einer Entscheidung zu bewegen, die das Land mit Sicherheit aus dem Euro führen wird. Das Referendum wurde bewusst zu einem Zeitpunkt angesetzt, da wichtige Fristen ablaufen. Aber die Bürger sind reif und lassen sich nicht einschüchtern. Sie werden mit JA für den Verbleib des Landes im EURO stimmen. Sie werden den Weg der Verantwortung gehen und anschließend eine Regierung der nationalen Verantwortung wählen, die eine bessere Einigung mit den Gläubigern aushandelt und die Interessen des Landes verteidigt.“ Soweit die Zeitung  „Kathimerini“.

Den verbalen Vogel schoss derweil EZB-Präsident Mario  Draghi ab. Dem Vernehmen nach stellte er bereits am Samstag, als die griechische Delegation ohne Ergebnis abgereist war, trocken fest:  „Jetzt können wir die Institutionen endlich wieder Troika nennen.“ Das könnte ein Menetekel für die kommende Woche sein.

Handelsblatt / Gerd Höhler / sig