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Grexit: Lieber ein Ende mit Schrecken

Der Grexit rückt näher, die Börsen werden nervös. Erst eine klare Entscheidung – für oder gegen die Griechen – dürfte die Märkte wieder beruhigen.

BÖRSE am Sonntag

Der Grexit rückt näher, die Börsen werden nervös. Erst eine klare Entscheidung – für oder gegen die Griechen – dürfte die Märkte wieder beruhigen.

Die Einschläge kommen näher. Die Wahrscheinlichkeit für einen Grexit ist nach Einschätzung der Ökonomen auf 50 Prozent gestiegen. Immer wenn das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone konkreter wird, bekommen es die Börsianer mit der Angst zu tun. Und Angst heißt an den Märkten: verkaufen. Mit der Folge, dass die Kurse einbrechen. Eine Zeit lang, so schien es, hatten sich die Börsianer an den möglichen Grexit gewöhnt. So ging es an den Märkten immer weiter nach oben – obwohl das Schuldenproblem der Griechen nicht kleiner wurde.

Wenn Athen tatsächlich demnächst ausscheiden sollte, werden viele Gläubiger viel Geld verlieren. Dazu gehören nicht zuletzt auch die Banken. Keiner weiß genau, wie dieses Szenario aussehen könnte – auch nicht die Börsianer. Aber genau das ist der Punkt: Die Unsicherheit ist es, die bei ihnen die Angst schürt. Daraus ergibt sich aber auch die These: Ganz gleich, was mit Griechenland passiert – für den Aktienmarkt gibt es über kurz oder lang enormes Aufwärtspotenzial. Treten die Griechen aus, dürfte es zunächst zu Marktturbulenzen kommen. Die ansonsten stabile Lage Europas wird wohl dadurch nicht aus dem Gleichgewicht geraten.

Die EU-Verträge sehen den Austritt eines Landes aus dem gemeinsamen Währungsraum mit seinen derzeit 19 Mitgliedstaaten eigentlich gar nicht vor. Griechenland könnte man aber dazu zwingen, wenn die Euro-Notkredite gestoppt werden und das Land keinen Zugang mehr zu frischem Geld hat. Gäbe es in Griechenland statt des „harten“ Euro wieder eine „weiche“ Drachme, könnte die heimische Wirtschaft mit einer billigen eigenen Währung ihre Produkte günstiger anbieten. Ein mögliches Szenario: Der Staat zahlt Gehälter und Renten in Schuldscheinen aus, um die Staatskasse kurzfristig zu entlasten. Die Bürger sollen damit ganz normal einkaufen und ihre Mieten bezahlen können.


Europa ist gut aufgestellt

Aber Athen ist nicht der einzige Faktor, der die Börsen bewegt. Mittel- bis langfristig ist entscheidend, wie das restliche Europa aufgestellt ist. Und da sieht es gar nicht so schlecht aus. Peripherieländer wie Spanien und Irland haben ihre Hausaufgaben gemacht – es geht wieder aufwärts. Dass der Kontinent auf Erholungskurs ist, hat auch die Aktienhausse gezeigt, die ein Indikator für die künftige Wirtschaftslage ist. So notierte der DAX im April so hoch wie noch nie zuvor. Zwar liegt das auch an der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), aber nicht nur. Experten sind zuversichtlich, dass es an den Märkten noch Luft nach oben gibt – mit und ohne Griechenland. Dafür gibt es fundamentale Gründe. So werden aufgrund der guten ökonomischen Rahmenbedingungen künftig steigende Unternehmensgewinne erwartet. Das gilt vor allem für die stärkste Wirtschaft der Eurozone: Deutschland exportierte im vergangenen Jahr so viele Waren wie nie zuvor.

Zum Beispiel glaubt Fondsmanager Niall Gallagher nun an die zweite Hälfte der Aktienrallye, die von steigenden Unternehmensgewinnen bestimmt werde. „Zunächst einmal sind viele problematische wirtschaftliche Ungleichgewichte verschwunden. Aus Leistungsbilanzdefiziten in den Peripherieländern sind Überschüsse geworden. Und viele der Länder stehen auch kurz davor, Haushaltsüberschüsse zu erreichen.“ Zudem stehe das europäische Bankensystem heute dank besserer Ausstattung mit Eigenkapital viel stärker da als noch vor wenigen Jahren. Und schließlich habe auch der deutliche Rückgang des Ölpreises die europäische Wirtschaft gestärkt – die Kaufkraft der Konsumenten ebenso wie die Leistungsstärke der Unternehmen. Gallagher setzt daher aktuell vor allem auf Unternehmen, die von der Erholung der Wirtschaft profitieren – insbesondere in Peripherieländern wie Spanien oder Irland.


Aktienexperten bleiben optimistisch

Der Fondsmanager steht mit seiner Meinung nicht alleine da. So berichtet das Manager Magazin, dass die Aktienexperten großer Banken unbeirrt optimistisch blieben. Tatsächlich rücke nicht ein einziger von 15 Analysten, die die Nachrichtenagentur Bloomberg regelmäßig befragt, von seiner Prognose für die europäischen Indizes bis zum Jahresende ab. Stattdessen erwarten allesamt weiterhin Kursgewinne. Die UBS hat laut Bloomberg ihre Prognose mit Verweis auf überraschend starkes Gewinnwachstum und Schwung in der Wirtschaft in diesem Monat sogar nach oben gesetzt.

Insgesamt überwöge die Zuversicht der Analysten in Bezug auf die Gewinnentwicklung der Unternehmen sowie die Wirkung der EZB-Geldpolitik. Die Probleme Griechenlands würden dagegen lediglich als vorübergehend erachtet, so die Agentur. „Griechenland hat keinen echten Einfluss auf die europäische Wirtschaft, weil es zu klein ist“, zitiert Bloomberg den Fondsmanager Christian Zogg. Die europäische Wirtschaft profitiere vom schwachen Euro, und es gebe keinen Grund daran zu zweifeln, dass sie sich erholen werde.

Fazit: Zwar ist die griechische Tragödie für die Märkte kein Pappenstiel, unabhängig davon, wie sie ausgeht. Dennoch stehen die Chancen gut, dass die Börsen auf lange Sicht nicht drastisch einbrechen werden. Je länger der Poker der Politiker um den Grexit dauert, desto länger drückt dies die Kurse. Aus Börsianersicht bleibt festzuhalten: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.