Europas Bankensektor vor Umbruch?
Gegenwind für die italienische Großbank Unicredit: für 2015 steht ein Gewinneinbrauch zu Buche, der CEO steht möglicherweise vor der Ablösung. Auch die Aktie der Großbank Credit Suisse befindet sich im freien Fall, die Bank schreibt tiefrote Zahlen. Und bei den Negativbilanzen den Vogel abgeschossen hat die Deutsche Bank. Ob das den Sparkassen, den Genossenschaftsbanken und alternativen Kreditplattformen nützt?
Gegenwind für die italienische Großbank Unicredit: für 2015 steht ein Gewinneinbrauch zu Buche, der CEO steht möglicherweise vor der Ablösung. Auch die Aktie der Großbank Credit Suisse befindet sich im freien Fall, die Bank schreibt tiefrote Zahlen. Und bei den Negativbilanzen den Vogel abgeschossen hat die Deutsche Bank. Ob das den Sparkassen, den Genossenschaftsbanken und alternativen Kreditplattformen nützt?
Gegenwind für die italienische Großbank Unicredit: Die HypoVereinsbank-Mutter hat im vergangenen Jahr 1,7 Milliarden Euro verdient. Das sind 15,6 Prozent weniger als 2014. Während die Einnahmen fielen, gingen die Kosten nach oben. Die Aktien der Bank gerieten nach der Veröffentlichung der Zahlen unter Druck: Sie gaben knapp fünf Prozent nach. Damit ist der Aktienkurs seit Jahresbeginn um knapp 45 Prozent eingebrochen. Europaweit stürzen Bankaktien immer weiter ab, Unicredit-Aktien zählen dabei zu den größten Verlierern.
Massiv unter Druck geriet der Chef der Bank, Federico Ghizzoni. „Vielleicht braucht die Bank heute so radikale Veränderungen, dass diese nur über Diskontinuität erreicht werden können“, sagte der italienische Unternehmer Leonardo Del Vecchio der Zeitung „La Repubblica“. Del Vecchio hält knapp zwei Prozent der Anteile an dem Mailänder Kreditinstitut. Für Ghizzoni dürfte es eng werden.
Ähnlich ist das Bild bei der Credit Suisse. Die Aktie der Großbank aus der Schweiz befindet sich im freien Fall, die Bank schreibt tiefrote Zahlen. Der neue Chef, Tidjane Thiam, stellt seine Mitarbeiter auf harte Zeiten ein. Er selbst will seinen Bonus drastisch kürzen; seine Bank hatte 2015 einen Verlust von 2,94 Milliarden Franken verbucht.
Auch bei der Deutschen Bank werden die Boni hart gekürzt. In einigen Abteilungen wird der Prämientopf für 2015 um bis 30 Prozent kleiner ausfallen als im Vorjahr. Und nach 6,8 Milliarden Euro Verlust für 2015 hat der Vorstand selbst gar keine Boni zu erwarten – die Deutsche Bank ist damit konsequenter als die Credit Suisse. „Für die Mitarbeiter ist das sicherlich eines der schlechtesten Jahre“, sagte ein Insider des Frankfurter Bankhauses. Die Bank plant inzwischen offenbar einen milliardenschweren Rückkauf von Anleihen. Die Deutsche Bank reagiere mit dem Rückkauf auf den Verfall ihrer Aktien und wolle damit das Vertrauen der Kapitalmärkte zurückgewinnen, berichtete eine Wirtschaftszeitung. Mit dem Rückkauf von Anleihen unter dem Nennwert können Banken günstig ihre Kapitaldecke aufstocken. Die Deutsche-Bank-Aktie erholte sich an der Börse in New York daraufhin deutlich.
Sparkassen und Genossenschaftsbanken wackeln ebenfalls
Wie ein Stein lasten Niedrigzinsumfeld und flache Zinsstrukturkurve auf dem Zinsüberschuss der Banken in Deutschland. Denn in einem solchen Szenario nähert sich zum ersten die Verzinsung von Einlagen zunehmend der Verzinsung an, die bei Marktfinanzierung gezahlt werden müsste. Zum zweiten muss bei der Kreditvergabe höher verzinstes Bestandsgeschäft durch niedriger verzinstes Neugeschäft ersetzt werden.
Nicht nur die großen Geschäftsbanken spüren das. Auch bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken gerät mit dem sinkenden Zinsüberschuss die Profitabilität insgesamt unter Druck. Eine Umfrage unter den 1.500 von Bundesbank und BaFin unmittelbar beaufsichtigten kleineren und mittelgroßen Banken zeigt: Deren Profitabilität dürfte eigenen Berechnungen zufolge bis zum Jahr 2019 um 25 Prozent sinken. Bundesbank und BaFin selbst kommen in einem Szenario für den schlimmsten Fall für diesen Zeitraum sogar auf einen Rückgang von 60 Prozent, sofern die Banken mit Bilanzanpassungen reagieren dürfen.
Kein Wunder also, dass BaFin-Chef Felix Hufeld unlängst ankündigte, kleinere und mittlere Kreditinstitute an die kurze Leine zu nehmen: „Wir werden künftig explizit festlegen, wie hoch die Eigenmittelausstattung sein muss, um sämtliche Risiken abdecken zu können, also auch das Zinsrisiko im Anlagebuch“, sagte er beim Neujahrsempfang der Behörde in Frankfurt.
Geschäftsbannken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken dürften sie zunächst versuchen, die Kosten zu senken. Neben dem beschleunigten Schließen von Zweigstellen sollte dies vor allem eine abermalige Erhöhung der Anforderungen im Kreditgeschäft bedeuten. Im Klartext: Noch mehr Informationen und noch mehr Sicherheiten. Gerade für kleinere und mittelgroße Banken dürfte es daher künftig noch schwerer werden, geringere Summen, Saisongeschäft oder gar Wachstum mit einem traditionellen Bankpartner zu finanzieren.
Online-Kreditplattformen erobern Marktanteile
Alternativen wie die Online-Kreditplattform Lendico bieten in der aktuellen Lage ihre Dienste mit wachsendem Erfolg an. Der integrierte Kreditmarktplatz für Privat- und Unternehmenskredite mit Sitz in Berlin bringt Anleger und Kreditnehmer direkt zusammen, ohne Filialnetz und mit schlankem Verwaltungsapparat. Gegründet wurde Lendico Ende 2013 in Deutschland; das Unternehmen heute in sieben Ländern auf drei Kontinenten aktiv. Zu den wichtigsten Gesellschaftern dieser alternativen Bankstruktur gehören die börsennotierte Internet-Holding Rocket Internet, Holtzbrinck Ventures, der US-amerikanische Finanzinvestor Access Industries sowie der europäische Alternative Asset Manager Arrowgrass.
Ob Plattformen wie Lendico viele Marktanteile erobern werden, wird durchaus von den traditionellen Geschäftsbanken mitbestimmt, und hier stehen Credit Suisse und Deutsche Bank wieder im Fokus: „Bei beiden Banken stehen inzwischen neue, hartnäckige Manager an der Spitze, die eine konsequente Neuausrichtung der Unternehmensstrategien anstreben. Sie wollen ihre vielversprechenden Geschäftsfelder, die liquide Mittel generieren, stärker in Szene setzen und dadurch für Aktionäre wieder Wert schaffen“, meint Anthony Smouha von GAM, aber er gibt zu bedenken: „Diese Reformprozesse werden einige Zeit brauchen.“
Großbanken müssen Qualität beweisen
„Wir setzen weiterhin auf Banken, deren Unternehmensbereiche und Geschäftsmodelle von sehr hoher Qualität sind – denn wir glauben, dass diese Banken in der Lage sind, sich neu aufzustellen und letztendlich den Wert ihrer Aktien wieder zu heben“, sagt Smouha. Auch in Zukunft wird er keine Anleihen von Banken erwerben, die in unsicheren Bereichen agieren oder die Geschäftsmodelle haben, deren Struktur sich dem Fachmann nicht direkt erschließt. Smouha steht hier für Viele in der Branche, und er beschreibt sein Vorgehen wie folgt: „Wir bevorzugen ältere Legacy-Anleihen, die schon länger in den Büchern der Banken stehen. Denn Banken versuchen ihre Bilanzen so umzugestalten, dass Positionen, die den regulatorischen Kapitalvorteil verlieren, ausgetauscht werden.“ So sei es zum Beispiel kürzlich bei der Deutschen Bank gewesen. Die größte deutsche Geschäftsbank habe im laufenden Monat einige alte Floating-Rate-Notes zurückgezahlt: „Und zwar zu 100 Prozent, obwohl diese am Tage zuvor noch zu 60 Prozent gehandelt wurden."
Das Fazit ist auf kurzfristige Sicht ernüchternd, aber es gibt doch Silberstreifen am Horizont. Großbanken werden sich das verlorene Vertrauen hart zurückerobern müssen, und die Sparkassen wie die Genossenschaftsbanken werden Mühe haben, das in sie gesetzte Vertrauen langfristig zu halten. Wie viele Marktanteile an alternative Kreditplattformen gehen, hängt davon ab – offensichtlich steht aber Vieles in den Sternen. Der europäische Bankensektor ist stark im Fluss, größere Umwälzungen sind nicht ausgeschlossen. sig / Handelsblatt / rtr / mit Material von Lendico